Polit-Marketing

 

Marketing und Macht in der Reklamokratie

Politiker überlassen ihre eigenen Karrieren und gesellschaftliche Entwicklungen nicht gerne dem Zufall. Sie gehen gezielt vor, um an die Macht zu kommen, ihre Macht zu behalten oder sie zu vermehren. Dazu nutzen sie nicht nur die Möglichkeiten der Massenmedien, sondern setzen verstärkt auch auf die Manipulations- und Gewinnmaximierungsstrategien, die ihnen die immer weiter fortgeschrittenen Techniken moderner Unternehmensführung in übersättigten Märkten zur Verfügung stellen. Politiker und Manager haben sich seit der Durchsetzung kapitalistischer Wirtschaftsführung immer gegenseitig zum Vorbild genommen, die Verbindung zwischen Unternehmensführung und Staatslenkung bietet sich ja auch an. Nichts lag also näher, als die sich ständig verbessernden kommerziellen Strategien von Unternehmen auch im politischen Bereich anzuwenden. So suchen heute auch Parteien nach dem effektivsten Corporate Identity-Konzept, so streben auch Politiker danach, ihr auf die Wünsche des Wählers abgestimmtes Image am vorteilhaftesten zu kommunizieren. Radunski bezeichnet den Wahlkampf in diesem Sinne als "moderne Managementaufgabe wie andere auch“ (1980, 7).

Marketing hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer Gestaltungsmacht entwickelt, ohne die kaum noch ein Unternehmen Bestand hat. Aber Marketing-Methoden werden auch verstärkt auf andere soziologische, kulturelle und politische Bereiche übertragen. Marketing wird zum Konzept für alle zielorientierten gesellschaftlichen Austauschprozesse. "Es fußt auf der Annahme, daß öffentliches kommunikatives Handeln begreifbar, erfaßbar und vor allem auch steuerbar ist, besonders bei der Propagierung von Werten“ (Kloepfer/Landbeck 1991, 65). Marketing will durch Kommunikation gemeinsame Welten schaffen und dem Marketingsubjekt die Herrschaft über diese Welten verleihen.

Besonders verlockend wird diese nach marketinghaften Gesichtspunkten gestaltete Möglichkeit der Machterreichung und -sicherung durch die hohe Eigenmacht, die vor allem das System der Werbung in modernen Staatsgebilden innehat. Wie bereits ausführlich beschrieben, schafft die Werbung in den westlichen Konsumgesellschaften handfeste Medienpolitik. Kommerzielle Privatsender, Zeitungen, Zeitschriften und Magazine kommen ohne sie nicht aus; ohne ein attraktives Werbeumfeld kann sich kein Massenkommunikationsmittel am Markt halten, wenn es nicht auf staatliche Förderung angewiesen sein will. Der Spiegel spricht bereits von der Werbung als der übermächtigen "fünften Gewalt“ im Staate und der langsamen, aber stetigen Umwandlung der Demokratie in die "Reklamokratie“ (Nr. 52/1992, 127f). Werbung ist also ein nicht zu unterschätzender Machtfaktor: Heute zählt die Kontrolle über die Werbung und der Einsatz ihrer Kommunikationsstrategien zum Hauptbestandteil der politischen Macht.

Kommerzielle Werbung und politische Propaganda waren sich seit Anbeginn der massenhaften Vermarktung von Waren ähnlich. Beide haben sie das gleiche Ziel, sie wollen Menschen beeinflussen und zum Handeln bewegen. Denn was in der Werbung die anvisierte Kaufhandlung, ist in der Politik die Legitimierung von Parteien und Politikern bzw. das Gewährenlassen der Herrschenden an der Spitze. Beide wollen dabei ihre Klientel möglichst unauffällig zu ihren Zielen führen, gehen mehr oder weniger manipulativ vor. Die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Instrumenten der (Ver-)Führung sind groß, es bietet sich also an, auf dem Weg zum Ziel die gleichen Techniken anzuwenden. "In einer Gesellschaft, in der die Konsumentenmasse durch die Praktiken der modernen Wirtschaftswerbung darauf konditioniert ist, durch Suggestion und Appell an emotionale Schichten zum Kauf stimuliert zu werden, wird auch die Politik zur Ware, die konsumfreundlich präsentiert werden muß“ (Rucktäschel 1972, 9) und darf: Denn die Politiker profitieren mächtig von den ausgefeilten Strategien des modernen Marketings, die ihnen zahlreiche Hilfen zur Selbstdarstellung und zu einer verbesserten Kommunikation innerhalb und außerhalb einer Partei bieten.

 

Ziele und Strategien

Wie können Parteien und Personen als Produkte vermarktet werden? Edgar Wangen hat die Maßstäbe des Marketing auf die Politik übertragen und die Verbindungen handfest gemacht: "Polit-Marketing ist eine strategisch instrumentelle Konzeption der Parteien, die im Interesse der Erreichung von Parteizielen und/oder individuellen politischen Zielen von Politikern die Parteifunktionen systematisch auf die gegenwärtigen und künftigen Erfordernisse im politischen Spektrum und dabei insbesondere auf die effektiven und potentiellen Bedürfnisse der Bürger ausrichtet“ (1983, 23). Es geht also darum, zunächst die Ziele einer Partei oder eines Politikers genau zu definieren, sie im zweiten Schritt mit dem öffentlichen Interesse in Einklang zu bringen, um die gesteckten und getesteten Ziele schließlich mit dem gezielten Einsatz der Marketing-Instrumente unter Ausnutzung von Wettbewerbsvorteilen zu verwirklichen.
Alles ganz einfach also: Das oberste Marktziel ist in der Politik wie in der Wirtschaft leicht gefunden: Es geht um die Sicherung der Marktanteile und um die Profitmaximierung durch die Erreichung von Wählerstimmen bzw. durch den Absatz von Produkten. Sehr leicht ist auch noch die Definition der Polit-Marketingziele: Imageverbesserung ist hier das Stichwort, mit dem Politiker Wählerstimmen fangen können. Schwieriger wird es schon mit den sich daraus ableitenden langfristigen Strategien. Politiker können zum einen versuchen, den Wählermarkt zu durchdringen, also mit kaum geänderten Maßstäben die Stammwähler zu aktivieren. Sie können zum anderen aber auch versuchen, neue Marktsegmente zu erschließen, also sich verstärkt um Wechsel- oder Erstwähler zu bemühen. Dabei können sie undifferenziert ein Programm für alle diese Wähler erstellen oder aber -- was mehr Erfolg verspricht -- gezielt ihr Konzept auf die Bedürfnisse und Einstellungen der Zielgruppen zuschneiden. Um Sättigungserscheinungen beim Wähler zuvorzukommen, kann es sich dabei empfehlen, das Parteiprogramm möglichst innovativ zu gestalten, neue Gesichter an die Front zu schicken und die Angebotspalette um einige zukunftsträchtige gesellschaftliche Ziele zu erweitern.

Spätestens auf der Stufe der Strategiensuche sollte also die Corporate Identity einer Partei festgelegt sein, um Widersprüche im Erscheinungsbild auszuschließen. Corporate Identity kann dabei als schlüssiger Zusammenhang von Erscheinung, Worten und Taten mit dem Partei-Verhalten, Partei-Erscheinungsbild und der Partei-Kommunikation in Hinblick auf die Persönlichkeit des Spitzenkandidaten als dem manifestierten Selbstverständnis der Partei definiert werden (in Anlehnung an Birkigt/Stadler 1980, 21). Basis für die Steuerung und Pflege dieses Parteiauftretens sind ein klar umrissenes Soll-Image, eine Parteiphilosophie und die klar abgesteckten Parteiziele. Dem Spitzenkandidaten kommt dabei eine tragende Rolle zu. Er ist Mittelpunkt und Grundlage des Parteibildes und auf der Basis seines Ist-Images können die zukünftigen Strategien festgelegt werden. Diese dürfen nicht allzu weit entfernt von den tatsächlichen kommunikativen Fähigkeiten des Parteiführers liegen. Alle anderen Parteimitglieder sollten den Ausführungen und der Darstellung ihres Spitzenkandidaten -- zumindest in Wahlkampfzeiten -- möglichst wenig widersprechen, was durch eine klare innerparteiliche Kommunikation und Richtungsweisung möglich wird.

Die herausragende Rolle des Spitzenpolitikers ergibt sich aus der Tatsache, daß eine für den Wähler offensichtliche Abgrenzung zu anderen Parteien kaum noch durch programmatische Unterschiede gewährleistet wird. Nur durch personelle Differenzierung läßt sich noch eine der unique selling proposition ähnelnde einmalige Position im Polit-Meinungsmarkt erreichen, die auf der Sympathiewirkung und dem Image des Kandidaten aufbaut. Damit werden vor allem die immer wichtiger werdenden Wechselwähler angesprochen, die sich häufig mit keinem Parteiprogramm anfreunden können und deshalb den Mann oder die Frau wählen, die ihnen durch ihr öffentliches Auftreten am meisten zusagen. Dabei sind rationale Gründe meist nicht entscheidend, es kommt allein auf die Ausstrahlung eines Kandidaten an. Wahlkampf wird zum "Imagewettbewerb“ (Wangen 1983, 104).

 

Politik und Demoskopie

Unter den zur Alternative stehenden Marketingstrategien war die gut vorbereitete Erschließung neuer Marktsegmente als besonders aussichtsreich erschienen. Dabei kann die richtige Positionierung einer Partei und ihres Kandidaten weiterhelfen. Die Stärken der bereits bestehenden oder erst noch zu findenden Parteilinie sollten sich in diesem Sinne mit den Bedürfnissen der angezielten Wählerschaft weitmöglichst decken, damit eine hohe Identifizierungsquote zwischen Wähler und Partei(spitze) möglich wird. Die höchsten Wettbewerbsvorteile hat dabei die Besetzung einer Marktnische, also eines Teilmarktes, der durch das vorhandene Parteienangebot nur unzureichend ausgeschöpft wird und deshalb eine starke potentielle Nachfrage in sich birgt (vgl. ebd., 1983, 174f). Voraussetzung für die Entdeckung einer Marktnische ist allerdings die Identifizierung und Analyse der nachfragerelevanten Unterschiede der Wählerwünsche. Hier helfen die immer ausgefeilteren Analysemethoden der Demoskopie. Denn die Erforschung von Stimmungslagen und Wünschen bis in alle Einzelheiten -- also ob Arbeitsplatz- oder Steuersorgen, Umwelt- oder Familienprobleme die Wähler drücken -- machen diese Bedürfnisortung auch im politischen Bereich möglich. Focus groups nach amerikanischem Vorbild werden dazu nach möglichst repräsentativen Gesichtspunkten ausgewählt und durchleuchtet.

Die Demoskopie macht es findigen Politikern demnach sehr leicht, die Wähler direkt ansprechende Themengebiete ausfindig zu machen und in ihrem Parteiprogramm an oberste Stelle zu setzen. Man fragt einfach, was die Leute hören wollen und verspricht ihnen dann genau das. Oder wie sich Kurt Biedenkopf bereits 1975 ausdrückte: "Man redet den Leuten, wie man so schön sagt, nach dem Munde. Man kann den Leuten aber nur nach dem Munde reden, wenn man weiß, was sie sagen, und die Marktforschung ist hier ein wichtiges Hilfsmittel“ (zitiert nach Wangen 1983, 86). Die Verlockung ist groß, nach dieser Methode vorzugehen, allerdings werden dadurch politische Notwendigkeiten völlig außer acht gelassen. Denn Politik sieht sich oft mit der Aufgabe konfrontiert, Maßstäbe neu festzusetzen und neue Ordnungen zu schaffen, die vom Bürger auch Opfer verlangen. Gerade in Zeiten horrender Staatsschulden und fortgeschrittenen Raubbaus an den natürlichen Ressourcen und der Umwelt im allgemeinen, bleiben einer realistischen Politik einschneidende Maßnahmen nicht erspart. Wer sich dabei nur nach den gerade aktuellen Wünschen der Bevölkerungsmehrheit richtet -- und nichts anderes versucht die Demoskopie zu erfragen ­, unterläuft die eigentliche Aufgabe der Politik, zukünftige Entwicklungen zu antizipieren und in die Wege zu leiten. Denn Politiker sollten gerade in den Fragen sich weitsichtig erweisen, wo dem einzelnen Bürger der Überblick und die Kenntnis der Zusammenhänge fehlt. Politik jedoch, die allein auf die Ergebnisse von Umfragen achtet, wird statisch. Sie zementiert die gegebene Ordnung und verzichtet auf jegliche Utopie. Sie entwirft keine Zukunft, sondern spiegelt nur die momentante Lage wieder. Die Verbindung von Politik und Demoskopie zeigt keine neuen gesellschaftlichen Wege auf, sie schafft höchstens eine Politokopie, ein möglichst getreues Abbild der bestehenden Verhältnisse.

Politik, die nur auf Demoskopie gründet, nutzt weniger die öffentliche Meinung als vielmehr ein diffuses Meinungsklima für ihre Zwecke aus. Sie ist in hohem Maße manipulativ, wie Jürgen Habermas bereits vor mehr als drei Jahrzehnten feststellte. "Manipulativ ist vor allem die sozialpsychologische Kalkulation von Angeboten, die an unbewußte Neigungen adressiert sind und voraussehbare Reaktionen hervorrufen, ohne andererseits diejenigen, die sich so der plebiszitären Zustimmung versichern, in irgendeiner Weise zu verpflichten: die nach sorgfältig eruierten "psychologischen Parametern‘ gesteuerten und experimentell erprobten Apelle müssen, je besser sie als Symbole der Identifikation wirken sollen, um so mehr ihren Zusammenhang mit politischen Programmsätzen oder gar Sachargumenten verlieren“ (1971, 258). Politik erschöpft sich im Streben nach Popularität, Zukunft erschöpft sich in der Gegenwart.

Manipulativ ist auch der Umgang mit Umfrageergebnissen. Oft werden von Parteien oder ihnen nahestehenden Meinungsforschungsinstituten auch noch kurz vor einer Wahl Prognosen zur Stimmabgabe veröffentlicht, um für die eigenen Positionen möglichst "günstige“ Umfrageergebnisse zu erzielen. Allerdings sind sich die Experten völlig uneinig darüber, welche Wirkung das haben könnte. Während die einen von einem Verstärkereffekt für die führende Partei ausgehen (Bandwaggon-Effekt), sprechen die anderen von einem Underdog-Effekt für eine weniger gut abschneidende Partei, der viele Wähler aus Mitleid ihre Stimme geben. Wieder andere sprechen von einem Mobilisierungseffekt, den schlechte Ergebnisse bei Parteianhängern auslösen; aber auch dazu gibt es die Gegentheorie, die die sich in der Minderheit befindlichen Wähler verstummen und in Passivität zurückfallen sieht (vgl Noelle-Neumann 1980). Welche Wirkung nun auch immer eintreten mag, sie greift in den Prozeß der Meinungsbildung vor allem bei wenig politikinteressierten Menschen ein; und die werden im Fernsehzeitalter nicht weniger. Sie werden allein durch ihre wachsende Zahl auch dann noch verstärkt wahlentscheidend, wenn sie nicht zur Wahl gehen.

 

Der Polit-Marketing-Mix

Die mit Hilfe der Demoskopie herausgefundenen Stimmungslagen und Bedürfnisse, die in die politischen Marketing-Strategien eingekleidet und so mit den Parteiinteressen verbunden worden sind, müssen abschließend durch die Instrumente des Marketing-Mixes -- als eigene, neue Ideen getarnt -- wieder unter das Volk gebracht werden. In die zielorientierte und strategieadäquate Kombination des Marketing-Mixes fließen so die gesamten marktbeeinflussenden Aktions- bzw. Handlungsalternativen ein, und das Marketing verwandelt sich dabei von Haus aus in unternehmensgestaltende "Politik“: Preispolitik, Produktpolitik, Distributionspolitik und Kommunikationspolitik sind die Titel der vier Teilbereiche des Mixes. Auf das Polit-Marketing sind die letzten drei direkt übertragbar.

Die Produktpolitik beschäftigt sich vor allem mit der Produktgestaltung, der Aufmachung und Verpackung. Das Produkt im politischen Bereich ist der Spitzenkandidat; er muß also im Rahmen der Produktpolitik als der Bedürfnisbefriediger des Volkes profiliert werden. Sein Image, seine Ausstrahlung müssen in allen Wahrnehumgsbereichen an die Erfordernisse der Wählermassen angepaßt werden. "Any political campaign is a marketing organization whose product is the candidate -- that is his appearance, image, rhetoric, speaking ability, party affiliation, attitudes, habits und so forth“ (Steinberg 1977, 13). Der Starpolitiker wird zum virtuellen Kunstprodukt stilisiert, wobei allerdings zu beachten ist, daß seine natürliche Ausstattung und Begabung nicht maßlos durch die produktpolitischen Anforderungen überanstrengt werden darf.

Auch in Fragen der Distribution kann die Politik vom Marketing lernen. Genau wie Unternehmen und ihren Produkten ist auch Politikern daran gelegen, im Bewußtsein der potentiellen Wähler und der gesamten Bevölkerung präsent zu sein. Eine Partei muß daher über zahlreiche repräsentative Anlaufstellen für die Fragen, Wünsche und Probleme der Bürger verfügen. Auch eine Art Außendienst muß geschaffen werden: "Eine Partei braucht eine "Vertriebs- und Verkaufsorganisation‘, die davon überzeugt sein muß, daß das, was die Partei anzubieten hat, gut ist“ (Wangen 1983, 217). Die wichtigste Form der Präsenz sind aber die öffentlichen Auftritte des Spitzenkandidaten, die heute meistens über die Massenmedien, sprich: im Fernsehen, abgewickelt werden. Aber auch klassische Bäder in der Menge sind bei Politikern wieder in Mode gekommen, da sie den direkten und intensiven Kontakt zum Publikum stärken und sich in ähnlicher Weise als Medienereignis verkaufen lassen wie ein genuiner Fernsehauftritt.

Ein wichtiger und umfangreicher Teilbereich des Marketing-Mixes ist schließlich die Kommunikationspolitik. Sie verbindet Partei und Wähler miteinander, wobei die Partei durch die Übermittlung von Informationen und Bedeutungsinhalten die Meinungen, Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen der verschiedenen Wählerzielgruppen zu steuern sucht. Die Kommunikationsgewohnheiten der Zielgruppen, ihre Mediennutzung und ihr Verhältnis zum Medium müssen dafür bekannt sein. Klassische Instrumente der Kommunikatinspolitik sind Werbung, Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations), persönlicher Verkauf (Direct Marketing) und Verkaufsförderung (Sales Promotion). Dazu tritt verstärkt das Sponsoring in kulturellen, sportlichen oder soziologischen Bereichen. Alle diese Instrumente werden im Idealfall gleichzeitig und einander verstärkend angewendet, um die Möglichkeit zu maximieren, Einfluß auf das Bewußtsein der Zielgruppen zu gewinnen. Im politischen Bereich soll dadurch eine Handlungsvorgabe entstehen, die neben der direkten Werbekampagne mit Spots, Anzeigen und Plakaten auch eine persönliche Kampagne in den Massenmedien, etwa durch Auftritte des Spitzenkandidaten in Wahlkampfsendungen, sowie eine Mobilisierungkampagne für Parteimitglieder umfaßt (vgl. Radunski 1980).

 

Die Werbung ist das wichtigste Instrument, um Politiker bekannt und damit wählbar zu machen. Sie verwandelt die Marketing-Strategien sowie die Daten der Wahlforschung in Botschaften aus Text und Bild, die sie dann unter die Zielgruppen streut. Letztlich fügt sich in der Werbekampagne alles zusammen, was ich über symbolische Politik, über das Besetzen von Begriffen und das Inszenieren des politischen Scheins gesagt habe. Sie ist die Plattform für die ungehinderte Selbstdarstellung von Politikern, die hier ohne jeglichen Widerspruch die Vorstellungen ihrer politischen Welt den Wählern unter Zuhilfenahme aller Mittel der Dramatisierungskunst nahebringen dürfen. Im Mittelpunkt aktueller Polit-Werbung steht die Persönlichkeit des bzw. der beworbenen Politiker(s); die Beeinflussung zielt vor allem auf die unverhohlene Emotionalisierung des Wählers, weniger auf sein rationales Vermögen. Besonders gut für diese Emotionalisierung -- das hatte sich im ersten Teil dieser Arbeit gezeigt -- eignet sich die "mehrkanalige Kontextgebung der Fernsehspots, die durch die Verbindung von Sprache, Ton und Bild besonders gefühlshaltig sein können“ (Holly 1991, 285).

Gerade im Wahlwerbespot haben Parteien und Politiker die Möglichkeit, eine konsistente Selbstdarstellung und ein vertrauenswürdiges Image zu kreieren. Und hier können sie auch ihren simplifizierenden Ritualen und symbolischen Handlungen freien Lauf lassen. In den Spots wird der Wähler "mit einer Welt von Problemen, Wünschen, Ängsten u. a. m. konfrontiert, die möglichst weitgehend seiner eigenen entsprechen soll. Im Zentrum dieses Wirklichkeitsmodells der Wahlwerbung stehen dann Parteien, die -- ausgestattet mit den richtigen Personen und Programmen -- fast umfassende politische Gestaltungsmöglichkeiten besitzen. In der Auseinandersetzung mit den politischen Gegnern wiederum wird zu zeigen versucht, daß diese die Gestaltungsmöglichkeiten nicht angemessen genutzt haben. Die Komplexität der Ursache-Folge-Relation in einer ausdifferenzierten Gesellschaft ... kommt dabei erst gar nicht in den Blick“ (Wachtel 1988, 185).

Die Werbung macht die politische Wirklichkeit in höchstem Maße angenehm und einfach. Schöne Bilder zeichnen traumhafte Welten, deren emotionaler Gehalt auf die werbende Partei übertragen wird. Hier findet der Übergang vom Sein zum Schein seinen intensivsten Ausdruck. Und selbst wenn die Wähler längst nicht alles für bare Münze halten, was ihnen gezeigt wird, selbst wenn kein Mensch sagen kann, ob und wie Werbung eigentlich wirkt, Folgen entstehen zumindest auf der Seite der Politiker. "Die Reklamisierung der Politik ist der unangenehmste Sieg der Werbung. Nicht, daß Spitzenpolitiker auf Plakaten und in Spots für sich werben wie Windelfabrikanten, ist das Problem, sondern, daß sie so geworden sind, wie sie in ihren Wahlkampfspots dargeboten werden. Sie verkaufen Argumente, statt sie zu finden; sie benutzen Probleme, statt sie zu lösen“ (Der Spiegel Nr. 52/1992, 127).

 

Dieses Instrument hilft vor allem, die Mobilisierungkampagne in Schwung zu bringen. Normalerweise werden mit Sales Promotion Maßnahmen bezeichnet, die der Unterstützung und Effizienzerhöhung der Absatzorgane eines Unternehmens dienen. Politische Promotionsmaßnahmen sollen dementsprechend "den Wähler auf den Wahlkampf einstimmen, Anhänger mobilisieren und den potentiellen Wähler durch Aktionen an die Partei heranführen“ (Wangen 1983, 262). Dabei läßt sich die moderne Polit-Promotion einiges einfallen: Von Parteipartys über Einkaufszentren-Einweihungen bis hin zu Multimedia-Shows sind dem pfiffigen Parteistrategen in seinem Erfindungsreichtum keine Grenzen gesetzt.

 

Meffert bezeichnet Public Relations (PR) als "die planmäßige, systematische und wirtschaftlich sinnvolle Gestaltung der Beziehung zwischen der Betriebswirtschaft und einer ... Öffentlichkeit, mit dem Ziel... Vertrauen zu gewinnen bzw. auszubauen“ (Marketing, Wiesbaden 1989, 493). Der PR kommt also, neben der Werbung, die wichtigste Funktion beim positiven Imagebuilding zu. Für Parteien ist ein vertrauenswürdiges Image besonders von Nutzen, da es ihnen ohne genaue Kenntnis und Prüfung ihrer Ziele eine treue Gefolgschaft sichert. PR übermittelt ein solches Image, allerdings nicht als offene Beeinflussungsmaßnahme wie die Werbung, sondern sie sendet ihre Botschaften über die Redaktionskanäle der Medien. Sie gestaltet eine reine Medienkampagnen, die sich mehr oder weniger subversiv an die Rezipienten wenden. Ihr größter Vorteil dabei ist, daß die Medien oft auf Informationen der Politiker angewiesen sind und deswegen gezielt auf die immer professioneller verfaßten PR-Texte von Parteistellen zurückgreifen. PR ist daher der Ort der größtmöglichen Nähe in der Politiker-Medien-Symbiose. Vorteile hat natürlich ein Politiker, der sich ihm ergebene Medienwerkzeuge geschaffen hat oder gar selbst Medienbesitzer ist.

 

In enger Verbindung zur PR steht das Sponsoring. Auch hier soll ein entsprechendes Image aufgebaut oder gepflegt werden, wird darauf abgezielt, das Urteil gewisser Zielgruppen über ein Unternehmen, eine soziale Idee oder eben einen Politiker und seine Partei im positiven Sinne zu beeinflussen. Das Sponsoring kann dabei in der Unterstützung von soziokulturellen Teilbereichen, von der Theatergruppe bis zum Fußballverein, seinen Ausdruck finden: Hauptsache, es erregt Aufsehen.

 

Der persönliche Verkauf wandelt sich in der Politik in die persönliche Kommunikation um, zielt also auf das persönliche Gespräch, das Händeschütteln mit dem Spitzenpolitiker oder seinen Helfern. Durch die direkte Wahrnehmung soll die Möglichkeit zur Interaktion, zur Rücksprache und zum unmittelbaren Kennenlernen gegeben werden. Allerdings ist diese direkte Kommunikationsform im Medienzeitalter stark zurückgedrängt. Und wenn man tatsächlich doch mal einen Spitzenpolitiker live und ungefiltert zu Gesicht bekommt, überwiegt meist die Enttäuschung über die wenig imposante, weil nicht mediengerecht vermittelte Erscheinung.

 

Politikinszenierung unter marketingspezifischen Gesichtspunkten

Die klar umrissenen Methoden, Strategien und Instrumentarien des modernen Managements liefern auch Parteien und Politikern das Werkzeug für eine zielgerechte Vermarktung. Wer nur genau den Markt erforscht und die daraus folgenden Positionen besetzt, dem wird Erfolg bei der Wählerschaft beschieden sein. Politik und Wahlkampf werden so bis ins kleinste Detail planbar; jeder, der über die nötigen Mittel und Wege zur Selbstinszenierung und Vermarktung verfügt, kann sich vom Marketing geleitet an die Macht katapultieren. Denn Marketing heißt, so Hans-Georg Betz, "bereits in der Bevölkerung vorherrschende Stimmungen und Ansichten abzurufen, zu kanalisieren, zu konkretisieren und in griffige Schlagworte und programmatische Fragmente umzusetzen“ (zitiert nach Grafe 1994, 137).

Sicherlich können die Instrumente des Marketing-Mixes einen Wahlkampf effizienter gestalten und dem Wähler im besten Falle auch die Politik ein Stückchen näherbringen und umgekehrt den Politikern auch bessere Einsichten in die Bedürfnisse der Wähler liefern. Nicht alles an der Übertragung von Marketing-Methoden auf die politische Ebene kann von vornherein verteufelt werden. Allerdings scheint die Versuchung groß, nur noch den reduktionistischen Antworten des auf Strategien und Instrumente reduzierten Marketingkomplexes zu vertrauen. Polit-Marketing kann bei seiner Verabsolutierung "zur Verschärfung des häufiger beobachtbaren Opportunismusproblems beitragen. Es entsteht, wenn gesellschaftlich so wichtige Funktionsträger wie die Parteien und Politiker bei ihrer Zielfestlegung sowie den Entscheidungen und Handlungen dazu übergehen, im Interesse kurzfristig realisierbarer Wahlerfolge langfristig gesellschaftlich notwendige, aber unpopuläre... Ziele nicht zu verfolgen“ (Wangen 1983, 283). Polit-Marketing kann zu einem Hauptmittel der strategisch geplanten symbolischen Politik werden, die Medien und Werbung gezielt zur Verbreitung ihrer Scheinhandlungen einspannt.

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