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Virtuelles Unternehmen

Beitrag zum Beitrag zum Ratgeber "Haufe Wirtschafts Praxis" von Stefan Krempl


Ein virtuelles Unternehmen ist ein Verbund unabhängiger Firmen, die sich zur möglichst kostengünstigen, schnellen und kundenfreundlichen Bewältigung eines oder mehrerer gezielter Projekte zusammenschließen. Die Arbeitsgemeinschaft zwischen den räumlich oft weit auseinander liegenden Teilnehmern gründet in der Kommunikation über Computernetzwerke.


Neue Informations- Kommunikationstechnologien ­ allen voran das Internet ­ mit ihrem Zeit und Raum überwindenden Charakter bieten Firmen große Chancen zum Reengineering: Kundenwünschen kann durch individuellere Lösungen und "maßgeschneiderte" Angebote besser Rechnung getragen werden, die Qualität von Produkten und Dienstleistungen kann bei gleichbleibenden Kosten erhöht werden. Mit den Chancen sind aber auch Anforderungen verbunden: Markt- und Produktzyklen werden beschleunigt, Innovation und die Fähigkeit, Informationen in verwertbares Produktwissen umzuwandeln, entscheiden über die Kompetenzfähigkeit.


Potentiale

Immer mehr Selbständige und Betriebe nutzen die Potentiale und Kommunikationsmöglichkeiten des Internet selbst und schließen sich zu zielorientierten Projektgruppen zusammen, die sich nach außen wie ein einzelnes Unternehmen präsentieren. Ziele eines virtuellen Unternehmens sind die schnellere Entwicklung und Markteinführung eines Produktes oder Services (Time to Market), eine schnellere Reaktion auf Markterfordernisse, die rasche und flexible Besetzung von Marktnischen sowie Kostensenkung durch Kostenteilung. Im Idealfall ergänzen und bündeln sich die Kernkompetenzen der Kooperationspartner in der virtuellen Unternehmung, so daß eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten entsteht.

Virtuelle Unternehmen zeigen keine festen, hierarchischen Strukturen, verfügen über keine Repräsentationsbauten und können sich nach Erledigung eines Projektes genauso schnell wieder auflösen wie sie sich zusammengefunden haben. Die Essenz des virtuellen Unternehmens liegt in Kommunikationsprozessen: im einfachsten Fall im Austausch von E-Mail-Nachrichten, bei komplexeren Verbindungen bis hin zu Videokonferenzen und zur Einrichtung eines virtuellen Arbeitsraumes in einem nur für die Beteiligten zugänglichen Intranet mit Hilfe von Groupware-Applikationen. Dort können die Kooperationspartner Texte und Nachrichten austauschen und miteinander diskutieren. Je höher der Informationsanteil bei der Erstellung eines Produktes ist, desto gewinnbringender lassen sich virtuelle Unternehmensstrukturen einsetzen.


Stufen der Virtualität

Der Grad der Virtualisierung kann unterschiedlich sein: Ansätze zeigen bereits Unternehmen, die Mitarbeitern die Möglichkeit zur Telearbeit einräumen. Auch innerhalb einer Firma wird immer weniger in festzementierten Strukturen gearbeitet, sondern je nach Aufgabenstellung finden sich Teams und Organisationseinheiten unter Berücksichtigung der spezifischen Fähigkeiten der Mitarbeiter zusammen. Von einem virtuellen Unternehmen spricht man in der Regel allerdings erst, wenn die Partner räumlich voneinander getrennt sind und unterschiedlichen Einrichtungen oder Firmen angehören. Dabei kann es sich um eine Gruppe freier Journalisten, die gemeinsam Texte vermarktet und sich untereinander Aufträge zuspielt, genauso handeln wie um einen virtuellen Forschungsverbund, der eventuell in unterschiedlichen Zeitzonen abwechselnd und somit rund um die Uhr an der Lösung eines Problems arbeitet.


Risiken

Risiken virtueller Unternehmen liegen vor allem im Prozeß der Identitätsfindung, denn selbst bei der Abwicklung relativ kurzfristiger Projekte ist die Schaffung einer Vertrauensbasis für das Gelingen notwendig. Die Corporate Identity eines Kooperationsprojektes bezieht sich nur im seltensten Fall auf die teils sehr kurzfristig bestehende Unternehmensstruktur, sondern meist nur auf das zu entwickelnde Produkt. Eine gleichbleibende Motivation aller Beteiligten ist deshalb oft schwer aufrechtzuerhalten.


Literatur

Davidow, William H./Michael S. Malone (1993): Das virtuelle Unternehmen. Der Kunde als Co-Produzent. Frankfurt/New York.
Martin, James (1997): Das Cyberunternehmen. Total digital vernetzt. Wien.