Stefan Krempl

 

Exkurs Werbetrends: Ambient Media

Es wird weniger Geld für Werbung ausgegeben. Aber es wird nicht weniger Werbung geben. Die etablierten Klassiker wie Fernsehen, Radio oder Print melden für 2001 Einbußen von einer Milliarde Euro im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings war 2000 ein Boom-Jahr. Verglichen mit 1999 verbuchten die Medien immer noch eine Umsatzsteigerung von 4,9 Prozent.

Der Trend: Alles, was man wegklicken, umschalten oder umblättern kann, ist auf dem absteigenden Ast. In anderen Sparten steigt die Nachfrage weiterhin, und zwar rasant, zwischen 20 und 50 Prozent. Je unausweichlicher, desto besser: Plakate (groß und draußen), Ambient Media (klein und draußen), Mega-Sponsoring (unausweichlich) boomen, auch in der Werbekrise. Einfacher gesagt: Der öffentliche Raum wird erobert.

Beispiele: Der Internetprovider AOL taufte Stadion des HSV in AOL Arena um und färbte Die Welt blau. Auf dem Broadway gibt es jetzt ein "American Airlines Theater". Zahlreiche US-Hochschulen und Museen sind bereits umgetauft. Bildschirme mit Spots gibt es schon in der U-Bahn, an der Tankstelle, an der Staukreuzung, beim Friseur und natürlich auf dem Klo.

Nichts bleibt unberührt, alles wird Werbung

"Ambient Media ist Werbung ohne Werbeunterbrechung", sagt Kolja Wehleit, Chef der Hamburger Beratung W & P Marketing und Mitgründer von Sit & Watch, Deutschlands größtem Vermarkter für Toilettenwerbung. "Ambient Media trägt die Kommunikation in das Freizeit-Environment der Zielgruppe, direkt und ohne Schutz eines redaktionellen Umfelds."


Für 2002 prognostizieren die Marktforscher von AC Nielsen der deutschen Ambient-Media-Branche einen Jahresumsatz von immerhin 200 Millionen Euro, das wäre eine Steigerung von 100 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Ambient Media, das sind Postkarten in Szenekneipen, Shampoo- und Duschgel-Proben in Umkleidekabinen von Fitnesszentren und Abdrücke von Katzenpfötchen, die auf den Bodenfließen des Supermarktes charmant den Weg zur richtigen Katzenfuttermarke weisen.

"Ambient Media ist der ultimative Versuch, den Werbeschmutz bis in die letzten Ritzen der Zielgruppen zu drücken", sagt der Geschäftsführer einer Hamburger Werbeagentur.

Eine Statue macht Werbung für einen Sportsender

1990 warben noch 2000 Marken im Fernsehen, zehn Jahre später hat sich die Zahl auf 69 000 fast 35-facht. Das Erinnerungsvermögen für Marken ist in den vergangenen 40 Jahren von 40 auf acht Prozent gesunken. Kein Wunder, dass die Marken aus den klassischen Formaten fliehen. Auf der Suche nach unverstellter Sicht auf die eigene Einzigartigkeit drängen sie an die Ränder der Werbeblöcke. … Also wird das Format geändert: Trailer und Trenner sezieren das Programm, damit noch eine kleine Markenbotschaft dazwischenpasst. Bei den Nachfragen für Split-Screens, Sponsoring oder anderen Sonderwünschen verzeichnen die TV-Vermarkter weiterhin Zuwachsraten von mehr als 30 Prozent. 53

Beunruhigend ist allerdings die Selbstverständlichkeit, mit der Marken und Medien die letzten Reste werbefreier Wirklichkeit demontieren, sie bunt, aufregend und schmerzfrei abmischen und den Brei so lange an die Zielgruppen rückfüttern, bis das Alte, das Eigentliche, vergessen scheint.

Verdächtig ist das Gewicht der Marken bei der Produktion der neuen Inhalte. 1999 hat sich in den USA das Family Friendly Programming Forum gegründet, eine als Interessensgemeinschaft getarnte Produktionsgesellschaft für stubenreine TV-Abendunterhaltung.

Ausschnitte aus: Grauel, Ralf: Unzählige Begegnungen der dritten Dimension. brand eins, April 2002 (Heft 3/02), 52-55

 
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Eine Werbeagentur erklärt "Ambient Media"

In Deutschland gibt es bereits einen Fachverband Ambient Media, der Umsatzzahlen für die Branche vorweist

Ambient Media -- Der heimliche Star in der Krise . "Plakat 2004", media daten verlag

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