Hightech(-zentren) in Indien, China, Japan und Mexiko (Von Stefan Krempl)

The dot-com boom has shaken up the Establishment and the way people think about their careers.

Business Week: "Asia's Future", 27.11.2000, 43

In Asien wollen sich immer mehr Länder eine Scheibe von der "Informationsrevolution" und dem Hightech-Glanz des Silicon Valleys abschneiden. Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen Ländern wie Japan, die bereits hochindustrialisiert sind, und Staaten wie Indien und weitgehend auch China, die als Technologie-Wirtschaftsregionen bisher noch nicht eine vergleichbar große Rolle spielten.

"Die industrielle Revolution haben wir verpasst“, sagt der indische Soziologe André Béteille, "jetzt ruht unsere Hoffnung auf der Revolution der Informationstechnologie" (vgl. SZ 16. März 2000). Für Internet-Startups à la Alando/eBay ist Indien zwar noch nicht bekannt. Dafür ist die Software-Industrie in Indien mit Wachstumsraten von 50 Prozent im Jahr in weniger als einem Jahrzehnt bereits zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden.

Der neue Industriezweig beschäftigt mittlerweile 280 000 hoch qualifizierte Software-Ingenieure, die letztes Jahr fast acht Milliarden Mark erwirtschaftet haben -- vor zehn Jahren waren es noch 300 Millionen Mark. 5,4 Milliarden davon gingen in den Export, zu 61 Prozent nach Nordamerika und zu 23 Prozent nach Europa. Software-Exporte machen bereits mehr als zehn Prozent der indischen Gesamtexporte aus -- die allerdings mit nur acht Prozent des Bruttosozialprodukts immer noch sehr bescheiden sind. Nass, die Vereinigung der indischen Software-Produzenten, erwartet weiterhin Steigerungsraten im Export von 50 bis 60 Prozent. "Wahrscheinlich hat keine Industrie mehr geleistet für die Wettbewerbsfähigkeit der globalen Unternehmen, und mit Sicherheit hat keine Industrie in so kurzer Zeit so viele Millionäre geschaffen“, heißt es bei Nass. Mit Stolz verweist man darauf, dass jedes fünfte der 1000 im Wirtschaftsmagazin Fortune aufgeführten wichtigsten Unternehmen der Welt Software-Aufträge nach Indien vergeben hat.

Andreas Bänziger: Indiens Fenster zur Welt. SZ 16.3.2000

Die Softwareindustrie Indiens, die größtenteils rund um die Küstenstadt Bangalore zentriert ist, bietet jungen Programmierern des Landes ungeahnte Aufstiegschancen. Der Lohn beträgt anfangs rund 1000 Mark im Monat, was in Indien konkurrenzlos ist, und kann nach ein paar Jahren 4000 Mark erreichen (vgl. ebd.). Aber vor allem bietet die Branche die Möglichkeit, im Ausland noch weit besser bezahlte Jobs zu finden. Viele junge Inder werden direkt von der Universität in die USA geholt -- und seit Gerhard Schröders "GreenCard"-Politik auch verstärkt nach Deutschland.

Interessanterweise haben Indiens eifrige Softwareprogrammierer nach der GreenCard-Aktion hier zu Lande auch (Startup-)Politik gemacht. Nachdem der nordrheinwestfälische CDU-Ministerpräsidentskandidat Jürgen Rüttgers im Wahlkampf Bedenken gegen die Einladung indischer Arbeitskräfte angemeldet hatte (die bald zur "Kinder statt Inder"-Kampagne mit Hilfe der Medien ausgebaut wurde), blühten nicht nur im Web Protest-Seiten auf. Auch das Berliner Startup datango besetzte die Thematik für eine Guerilla-Marketingaktion, die weltweit für Schlagzeilen sorgte: Sie hängte im Berliner Straßenraum ein paar Plakate auf mit der Frage: "Sind Sie Inder?'" und der URL: http://www.datango.de/jobs. Tatsächlich meldeten sich daraufhin einige indische Programmierer bei dem Software-Unternehmen, drei arbeiten inzwischen im Prenzlauer Berg bei der Firma.

In China gibt es im Gegensatz zu Indien und seinem Bangalore bisher kein ausgemachtes Hightech-Zentrum. Generell versucht China ähnlich wie Malaysia und zum Teil auch Singapur den Spagat hinzubekommen zwischen dem Setzen auf die wirtschaftlichen Effekte von Internet und Hightech sowie auf der anderen Seite der Abschottung von der freien Informationswelt westlicher Länder. "Beijing is proud of its high-tech whizz-kids but fears the anarchy of the internet", hat die FT (27.1.2000) festgestellt. So ist der Netzzugang im Reich der Mitte nur nach Anmeldung bei den Behörden möglich oder müssen Provider streng über die im Web publizierten Inhalte sowie über Äußerungen in Chats wachen. Der Einsatz von Verschlüsselungssoftware muss von den Behörden einzeln authorisiert werden. Ausländische Firmen dürfen maximal 50 Prozent an chinesischen Startups halten (ebd.).

By 2005, China will have the largest number of Internet users in the world. We have to be there.

David Wetherell vom Startup-Investor CMGI (Business Week 4.10.1999)

Trotz der Gängelungen und der ständig erweiterten Zensurmaßnahmen glaubt Lu Hua Si, ein nach China zurückgekehrter amerikanischer Geschäftsmann, der an der Guanghua School of Management der Pekinger Universität die ersten Seminare rund um Unternehmertum und E-Business gibt, dass "by the year 2004, less than one-third of China's GDP will be produced by the medium- and large-size enterprises that exist today and that two-thirds will be produced by newly formed, privately owned, smaller enterprises. They will be managed by China's younger, more visionary entrepreneurs who, like Italian race-car drivers, have thrown away their rear-view mirrors. They will be the founders of the companies that will be China's Intels, Microsofts, Ciscos, and General Electrics" (vgl. Business Week Online).

The real competition for Western companies coming here will be from China's New Economy, which will be made up of new, privately owned small- and medium-sized companies who will use new technologies to become global even when the company is one person with a laptop and a cell phone. Most will be a lot larger than that, and they will produce two-thirds of China's GDP within five years. It isn't these companies that need to learn to compete against the Western companies -- it will be the Western companies who will need to learn how to compete against these small, flexible Chinese companies.

Lu Hua Si im Interview mit Business Week Online

Als eine der wichtigsten Kräfte der Veränderung sieht Lu Hua Si dabei gar nicht sofort das Internet und seine Informationsvielfalt, sondern das westliche Fernsehen. "Probably the most evident driver in the evolution of "but this is China" has been the influence of Western television on China's young people. Keep in mind that to someone who has lived all his young life in a small one- or two-bedroom apartment with parents, grandparents, and an unemployed cousin or two, having his own bedroom means being rich. The story line of the TV show or movie wasn't very important. What was important was seeing people who had their own bedroom, living in a house with a yard, lipstick, MTV, and mini-skirts. The idea that everything American was desirable can be verified at any Kentucky Fried Chicken, Pizza Hut, or McDonald's here."

Doch über der "New Economy" Chinas und weiten Teilen des benachbarten Asiens sind ähnlich wie im Westen dunkle (Börsen-)Wolken aufgezogen. Wurde anfangs jedes chinesische Startup wie etwa das Portal sina.com.cn oder später china.com (an dem AOL beteiligt ist) von den (westlichen) Medien begeistert begrüßt, spricht Business Week jetzt von einem "brutal endgame" für die Netzfirmen. Wie anderswo auch, ist das Geld knapp geworden. "There just isn't enough capital to keep all the startups going. The IPO window has closed for most Asian Net companies, forcing upstarts to survive on their own revenue -- which is often minimal -- sell out, or go bancrupt" (Business Week 18.9.2000, 22).

In Japan ist die Ausgangsbasis für Startups eine andere als im restlichen Asien. Zwar dominieren dort nach wie vor Großkonzerne wie Matsushita oder Sony den Hightechbereich, die trotz aller Internationalität im Kern von Japans Wirtschaftskultur der Konsenssuche innerhalb der Firma und einem strikten Top-Down-Managementstil geprägt sind. Daneben hat Japan allerdings schon Anfang der 1990er "Helden" einer neuen Ökonomie wie den Software- und Medienmogul Masayoshi Son (Softbank) hervorgebracht. 1994 gab es daher bereits laut Business Week bereits 2000 Internet-Startups in Japan, die sich auf Software, High-Speed-Netzwerke und E-Commerce spezialisiert hatten. Doch nach der Banken- und Währungskrise 1998 waren davon nicht einmal die Hälfte übrig geblieben (vgl. Business Week 31.8.1998, 70). Sie waren nicht nur auf der Strecke geblieben, weil die Banken ihre Wagniskapitalförderung weitgehend einstellten, sondern auch, weil die Japaner den Weg ins Netz über den PC angesichts hoher Hardware- und Telekommunikationskosten nicht wirklich fanden. 1998 hatten beispielsweise erst 17 Prozent der japanischen Haushalte einen Computer, verglichen mit 50 Prozent in den USA (vgl. ebd., 71).

Dank i-mode, dem Internetdienst des Mobilfunkbetreibers NTT DoCoMo, entdeckten die Japaner dann allerdings doch noch ihre Vorliebe fürs Netzdasein: per i-mode sind inzwischen über 13 Millionen Japaner permanent über ihre Handys online, senden sich Email, checken Aktienkurse oder laden Musik auf ihre permanenten Begleiter aus dem Netz (vgl. Business Week 16.10.2000). Abgerechnet wird dabei nicht für die Zeit, die ein Nutzer online verbringt, sondern über die abgerufene Datenmenge. Die i-mode-Telefone verfügen über ein Farbdisplay und einen Browser, mit dem Webseiten in abgespeckter Form aufgerufen werden können. Dank i-mode hat sich Japan daher für den Vorreiter im momentan auch in Europa als "Zukunftsmarkt" gefeierten Mobile Commerce entwickelt, wobei Entertainment-Angebote 55 Prozent der Abrufe auf sich ziehen (vgl. Business Week 22.5.2000, 51).

Along the way, the experts say, executives are taking on more risk, dancing around bureaucrats and becoming increasingly entrepreneurial, as the government unfetters industries ranging from finance to telecommunications. If the momentum grows, it might help cultivate the spirit of creation that will help Japan reinvent an economy that is threatening to wind down in the 21st century.

"What the U.S. saw five years ago is around the corner," said Kenichi Ohmae, an author and business consultant, referring to the shift in spirit and a growing surge in technologies. "I can even hear the roar of the tidal wave." …

Venture capital funds are forming like wildfire, perhaps faster than the entrepreneurs can soak up the funds. Even someone like Yoji Kawake, who used to have to beg small companies in Kyoto to take his venture capital, because he is not a traditional banker, is having an easier time. "I think the entrepreneurial spirit is on the rise," he said. A handful of companies are blazing a new trail, led by young energetic people like Hiroshi Mikitani, 34, who four years ago left his job as an investment banker at the Industrial Bank of Japan. He called a few of his buddies in America -- he attended Harvard Business School -- and raised money to start Rakuten Market, an online market that is becoming one of the hottest sites for electronic shopping in Japan. …

Still, the obstacles are many -- like high taxes, mounds of regulation, difficulties in hiring, and expensive telecommunications charges that have stifled the growth of the Internet. Japan is also still largely a hierarchical, status-conscious society, though e-mail is threatening to turn everything upside down.

Sheryl WuDunn: Japan Bets on a Wired World to Win Back Its Global Niche. NYT 30.8.1999

Auf dem amerikanischen Kontinent, von Japan aus gesehen jenseits des Pazifiks, hat unter anderem Mexiko, das südliche Nachbarland zu den USA, in den letzten anderthalb Jahren einen ersten Tech-Boom erlebt. So haben sich in Guadalajara die "üblichen Verdächtigen" aus dem Silicon Valley niedergelassen -- also z.B. Intel, Hewlett-Packard oder 3Com -- denen der Aufbau neuer Produktionsstätten in ihrer Heimatregion längst zu teuer geworden ist. Die Gegend rund um die Küstenstadt sieht sich selbst inzwischen als "Mexico's Silicon Valley" und begrüßt ihre Gäste am Flughafen in Englisch und Mexikanisch mit diesem Slogan. Die Website SanDiego.com orakelt bereits, dass die 3,5-Millionen-Stadt mit ihren 90 000 Hightech-Arbeitern in 125 Computerfirmen und Startups bald "Asia's industrial enclaves as the top producer of tech gear for North America" ablösen könnte.

Guadalajara has several of the elements considered important for replicating Silicon Valley's success: an airport that ships at least five planeloads of goods to major markets in the north each day; top-flight universities and research institutes; a high-quality, flexible work force; and a government devoted to nurturing business, not regulating it. What the region lacks are tech-savvy law firms, accountants, consultants and financial analysts; a first-rate infrastructure; an environment that promotes local entrepreneurship; and money, lots of money.

Diane Lindquist: 'Mexico's Silicon Valley'. SanDiego.com October 23, 2000

Kleine Unterschiede zum Valley lassen sich aber gerade im Reichtum der Region noch ausmachen:

Assembly line workers make about $1.60 an hour, including benefits. Engineers and midlevel managers typically earn $1,000 to $1,700 a month. That's big pay in Mexico, although not enough to put Guadalajara's digital geeks in BMWs or Porsches. They may wear the Silicon Valley uniform of khakis and casual shirts, but they aren't becoming millionaires. For the most part, they don't even get stock options.

ebd.

Und noch eine Meldung zu Mexiko aus dem Wall Street Journal vom 1.12.2000, zusammengefasst vom Schnippseldienst von Benton.org:

Mobile-phone subscribers have eclipsed the number of fixed lines in Mexico, the Federal Telecommunications Commission said. There are 12.2 million mobile subscribers in September and 12 million fixed lines, in a population of 98 million people. Mobile-phone service soared after Mexico introduced a billing system in May 1999 under which subscribers pay only for calls they make, not those that they receive. Subscriber growth peaked at a 130.8% annual clip in 1999. Mexico is expected to end the year with 13.1 million mobile subscribers, or 13.3 for every 100 people, and 12.3 million fixed lines, or 12.5 lines for every 100 people. Mexico joins Venezuela and Paraguay as the first countries in Latin America with more mobile subscribers than fixed lines. Brazil and Peru are expected to follow soon.

 
Links

National Association of Software & Services Company (Nasscom) -- die Software-Lobby Indiens

Knowledge@Wharton: Will innovation in Asia rocket its Net economy? News.com 7.12.2000

Florian Rötzer: Chinas Regierung führt schärfere Internetgesetze ein. Telepolis 3.10.2000

China's Young Visionaries. U.S. businessman Lu Hua Si talks about how the next generation of Chinese are preparing for the New Economy. Business Week Online 11.10.2000

Amy Wu: In China, Making Nice on the Web. Wired News Nov. 15, 2000

Sheryl WuDunn: Japan Bets on a Wired World to Win Back Its Global Niche. NYT 30.8.1999

Reuters: Japan Wants To Be Center of IT . Wired News Nov. 6, 2000

Kumiko Aoki: Differences in E-Commerce. A Comparison Between the U.S. and Japan. First Monday 11/00

Japan im Internet: Der Nachzügler rüstet auf. Spiegel Online 8.11.2000

The Economist: In the laboratory. Japan has at last begun to put its millions of Internet-ready mobile phones to good use. The next step is expansion abroad. Nov 30th 2000

Diane Lindquist: Mexico's Silicon Valley. SanDiego.com October 23, 2000

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