Ohne Moos nix los: Von Venture Capital (VC), Inkubatoren und Businessplänen (Von Stefan Krempl)

Aus-Gebrütet?

Klassischen Inkubatoren droht die Krise angesichts der Konsolidierung an den Börsen der New Economy. Doch Dienstleistungen rund um Startups werden auch in Zukunft gefragt sein. Die Branche will sich daher ähnlich wie so manches Dot-com neu erfinden.

Eine Idee, wie sie eigentlich nur aus der Zeit des Börsenhypes rund um die Netz-Ökonomie stammen kann: Man packe ein paar mit nicht viel mehr als einer -- eventuell noch geklauten -- Geschäftsmasche rund ums E-Business ausgerüstete Gründer in einen "Brutkasten" und päppele sie dort mit seelischer und moralischer Unterstützung, einem Internet- und Telefonanschluss sowie ein paar Geheimtipps aus dem Management-Alltag zur "Millionärsreife" hoch. Dafür streicht man dicke Gewinne ein, weil man sich die Pflege mit Anteilen zwischen drei und 90 Prozent an dem so entstehenden "Unternehmen" bezahlen lässt.

So schön konnte Geld verdienen in der New Economy sein -- bis die Einbrüche an den Technologiebörsen im Frühjahr dem Treiben einen Dämpfer versetzten. Inkubatoren gibt es zwar nach wie vor reichlich -- allein in den USA will "Der Spiegel" über 600 der geschäftstüchtigen Startup-Brüter gezählt haben. Doch ähnlich wie viele der von ihnen betreuten Gründer wechseln sie momentan ihre Geschäftsmodelle und zelebrieren ihre Wiederauferstehung als "Venture-Katalysatoren", "Investment-Häuser" oder "Business-Beschleuniger". Die Grenzen zwischen Wagnis-Kapitalgebern und Inkubatoren werden dabei immer unschärfer: schon fragt sich so mancher in der Branche, wer denn nun eigentlich die direkte Konkurrenz ist. Die Gründer rätseln gleichzeitig, woher sie denn nun am besten das über die reinen Finanzmittel hinausgehende "Smart Money" beziehen sollen.

Das beste Beispiel für den Versuch, mit der alten Idee des Kücken-Aufpäppelns Schluss zu machen und das Konzept des Inkubators gleichzeitig neu zu erfinden, ist in Deutschland Econa (www.econa.de). Die Tochter der Werbeagentur Scholz & Friends Berlin war nach dem Start im Juni 1999 "der erste Inkubator in Deutschland" und "New-Economy-Pionier", wie CEO Bernd Hardes stolz berichtet. In einer alten Lokfabrik mit einem begrünten Dachgarten und einem wundervollen Blick auf die "Skyline" von Berlins Mitte startete die zunächst kleine Mannschaft mit dem vollen Angebot eines klassischen Inkubators. "Wir bringen unsere Marketingerfahrungen ein, stellen aber neben Startkapital auch Büroräume, Beratungsdienste oder sogar die Telefonleitung zur Verfügung", erklärte Moritz Pietzcker von Econa das Konzept während des ersten First Tuesday im Januar in Berlin.

Die Geschäfte liefen nicht schlecht. Erster großer Erfolg war der Verkauf von Versteigern.de, einer der "Eigenzüchtungen" aus dem Backsteinbau, in dem pikanterweise nach den Dampfrössern auch einmal Särge fabriziert wurden, an Bertelsmann: "Die Rendite lag über dem Marktdurchschnitt", verrät Hardes. Genaue Zahlen will er nicht nennen, aber aus dem "Exit" könne Econa seine inzwischen 29 Mitarbeiter "noch eine ganze Weile bezahlen." Heute haben die Berliner Frühstarter zehn Startups in ihrem Portfolio. Gelauncht wurden davon mit Hilfe von Econa das Edutainment-Portal KinderCampus.de, der Geschenkeservice YouSmile.de sowie die Netz-Spielebörse Lotty.de. Online sind außerdem bereits der Spielzeugversender MyToys.de sowie die in Deutschland und USA gleichzeitig antretende TechnologyMall (www.technologymall.com), die sich auf den Handel mit Patenten und intellektuellem Eigentum spezialisiert hat. Kurz vor dem Start stehen der Ticketservice getgo.de sowie der Wellness-Shop XX-well.de.

Kleine Beteiligungen hält Econa außerdem an den bereits Börsen notierten Unternehmen Vicinity (www.vicinity.com), das sich die Verbindung von Online- und Offlinewelt etwa beim Suchen eines Hotels zum Ziel gesetzt hat, sowie United Visions, einer bereits vor acht Jahren gegründeten Produktionsfirma. Eine Art Zwitter ist die neue Personalberatung Headstep (www.headstep.com): Der "erste Headhunter für die New Economy" gehört einerseits zum wuchernden "Network of Excellence" des Scholz & Friends-Imperiums, das sich inzwischen über die Werbeagentur selbst, Econa, das Multimedia-Haus Aperto (www.aperto.de), die Münchner PR-Agentur dot.communications oder das Strategiehaus Market Lab erstreckt. Andererseits ist Econa an Headstep direkt beteiligt und führt die Recruiting-Company in ihrem Portfolio.

Wirklich den Überblick zu behalten über das Gesamtkunstwerk des von den smarten Scholz & Friends-Geschäftsführern Thomas Heilmann und Sebastian Turner aufgebauten Vermarktungs-Netzwerks fällt nicht leicht. Für Hardes steckt in den sich daraus ableitenden Synergien allerdings der entscheidende Differenzierungspunkt gegenüber der Konkurrenz. "Inzwischen gibt es etwa 50 Inkubatoren mit ganz unterschiedlichen Ausrichtungen in Deutschland", weiß der 31-jährige Manager, der von einer dem Börsenklima entsprechenden Konsolidierung unter den schnellen Brütern ausgeht. "Da mussten wir uns einfach profilieren." Gründern biete Econa daher inzwischen ein "integriertes Leistungsangebot" mit dem für den Markenaufbau und den aufmerksamkeitsstarken Markteintritt wichtigen Schwerpunkt Marketing. "Wir finden aber auch das passende Personal, geben die nötigen Finanzen und bewerten Unternehmen", preist Hardes die Vorzüge von Econa an. Beratung und Input aus den eng zusammenarbeitenden Unternehmen seien dabei umsonst. Dienstleistungen würden aber ganz normal "zu Markt üblichen Preisen" abgerechnet.

Das alles haben gute Inkubatoren natürlich durch ähnliche Partner-Netzwerke auch im Angebot. Verabschiedet hat sich die Berliner Ideenbrutstätte im Rahmen ihrer Neuposition nun allerdings von dem Tauschhandel "Schreibtische gegen Anteile", wie Hardes polemisiert. Das Überlassen von Infrastrukturen habe sich nicht als "grüner Zweig" erwiesen. Statt dessen will Econa das Image der "Hinterhof-Firma" abwerfen, seinen VC-Bereich ausbauen und im 4. Quartal einen "New Media Fonds" in Höhe von bis zu 100 Millionen Euro auflegen, der zunächst drei Jahre lang laufen soll. Hardes erklärt die verstärkte Ausrichtung auf den Finanzbereich als "Reaktion auf die gestiegenen Anfragen" sowohl von Investoren als auch von Gründern. "Wir bekommen pro Woche rund 25 Business-Pläne auf den Tisch -- das sind 1250 im Jahr", führt Geschäftsführer Ralf Lanzrath aus. Investiert wurde bisher allerdings nur in ein Prozent der anfragenden Gründerfirmen.

Die niedrige Zahl ergibt sich nicht nur aus dem strengen Ausleseprozess, dem sich die Möchtegern-Durchstarter bei Econa unterziehen müssen. "Wir mussten auch gute Teams nach Hause schicken", erinnert sich Hardes an die mangelnden Ressourcen in der eigenen Firma. Der neue Fonds soll nun Abhilfe schaffen und Econa in ein "Investment House" mit genügend Geldreserven verwandeln. Damit sei eine klassische Win-Win-Situation geschaffen, freut sich Hardes: "Die großen Anleger haben unseren Dealflow nicht, wir nicht immer die nötigen Finanzmittel." Beide Stärken würden sich mit Hilfe des Fonds bestens ergänzen.

Mit dem skizzierten Wandel tritt Econa in direkte Konkurrenz zu anderen so genannten "Seed-VCs" wie Earlybird (www.earlybird-vc.com), die bereits sehr früh Gründer unterstützen und in der Startphase in ein oft nur auf dem Reißbrett existierendes Unternehmen einsteigen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, was einen "Brutkasten" überhaupt noch ausmacht und ob das Konzept Zukunft hat. "Der Internet-Inkubator ist tot -- lang lebe der Internet-Inkubator", beschreibt der "Economist" den Umbruch in der Branche. Denn einerseits sind die Aktien von den größten an der Börse gehandelten Startup-Brütern -- CMGI, Internet Capital Group (ICG), Safeguard Scientific und Softbank -- seit April auf Werte zwischen 15 und 30 Prozent ihrer Höchstnotierungen abgesackt. Andererseits entwickeln sich in den USA Firmen wie TechSpace in New Yorks Silicon Alley oder campsix aus San Francisco dank knallharter Gewinnorientierung zu expandierenden und gefragten Service-Centern.

Gute Aussichten für Inkubatoren, die "ihre Versprechungen halten", sieht Niko Waesche, der gerade für den kalifornischen VC Global Retail Partners (www.grpvc.com) eine Niederlassung in München aufbaut, nach wie vor auch in Europa. Seiner Meinung nach gibt es auf dem alten Kontinent sogar einen "größeren Bedarf an der Dienstleistungen" im Startup-Bereich als in den USA. "Incubators are here to stay", ist Waesches Motto. Eine gute Service-Idee wäre angesichts des Sprießens der Brüter hierzulande allerdings sicher die Einführung eines "Inkubator-Tests", um die Spreu vom Weizen zu trennen und Klarheit rund um den in vielerlei Zusammenhang verwendeten Begriff zu bekommen. "Eigentlich sind wir schon seit zwei Jahren ein Inkubator", unkt Frank Lichtenberg, Partner bei der Frankfurter Beteiligungsgesellschaft IVC (www.ivc-venture-capital.com), in Anspielung auf den Wandel im Hause Econa. So hätte seine Firma von Anfang an in der Seed-Phase in Startups investiert und Autoscout 24 von klein auf mit Hilfe von Sparringpartnern groß gezogen.

Offiziell hat IVC ihren Brutkasten VentureLab (www.venturelab.de), dessen Geschäftsführer Lichtenberg ist, allerdings erst im Januar eröffnet. Vier Unternehmen haben dort seitdem Unterschlupf gefunden, darunter neben einem noch ganz geheimen Startup der Fast-Food-Dienst Snacker.de, das Portal Yopass.de sowie Profession Park, eine Plattform für "Young Professonionals". Vom Ende des Gründerbooms weiß Lichtenberg genauso wenig zu berichten wie vom Tod des klassischen Inkubators, der auch Infrastrukturen zur Verfügung stellt. "100 Anfragen" erreichten ihn in der Woche, täglich führe er mehrere Selektionsgespräche.

Dass Econa nun davon abgekommen sei, Räumlichkeiten für Gründer-Frischlinge zur Verfügung zu stellen, erklärt der ehemalige Unternehmensberater allein mit den hohen Preisen der Berliner. Beim VentureLab werde dieser Service nach wie vor stark nachgefragt. "Wir verlangen für alles zusammen mit Netz-Zugang, der Raummiete und dem Zugriff auf unser PR- und Juristen-Netzwerk allerdings auch nur drei bis fünf Prozent Anteile an den Startups", rühmt Lichtenberg das eigene Preis-Leistungsverhältnis. Econa lässt sich ihren "integrierten Service" mit 15 bis 25 Prozent bezahlen.

Für Gründer wird sich angesichts der zahlreichen Finanzierungsmodelle, die angesichts des nach wie vor boomenden Investment-Marktes sicher nicht in nächster Zeit auf dem Trockenen liegen, die Frage in Zukunft noch ernsthafter stellen als im vergangenen Jahr, ob es sich für sie lohnt einem Inkubator ein derartiges Volumen am eigenen Unternehmen zu überschreiben. "Das ist nur die zweitbeste Lösung", glaubt Karel Dörner, der im März 1999 zusammen mit zwei Freunden und den "Samwer-Brothers" den Grundstein zu Alando.de gelegt hatte und sich inzwischen mit mehreren Millionen im Gepäck von dem von eBay aufgekauften Unternehmen verabschiedet hat. Besser sei es, mit einem eigenen Team an den Start zu gehen und sich nicht mit der Suche nach einem Händchenhalter aufzuhalten: "Als wir anfingen, haben wir keine Sekunde an einen Inkubator gedacht".

Seit Juli ist der 26-Jährige allerdings Vorstand des Startup Campus (www.startupcampus.com), einer Gründer-WG in einer noch der letzten Gründerzeit vor den Weltkriegen entstammenden Villa in Frankfurts In-Bezirk Sachsenhausen. Dort dürfen Jungunternehmer für maximal sechs Monate auf Kosten des Rekrutierungsprojekts für den Managernachwuchs (RIFU) sowie einiger der Alando-Gründer Ideen ausbrüten und über Businessplänen schwitzen. Als klassischen Inkubator will Dörner das Projekt aber nicht betrachten: Die potenziellen Upstarter müssen nicht einmal Anteile an die Startup Campus AG abtreten. Die Förderungsgesellschaft behält sich allein die Option auf die erste Finanzierungsrunde vor.

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