Von Luftblasen zum Burnout
Kritik an der Dotcom-Manie

Thesenpapier von Björn Bachmann und Jens Henkel


Dotcom-Sterben

Nach einer Studie von Pegasan Research International vom Mai 2000 werden viele Dotcom-Unternehmen nur noch wenige Monate überleben.
Entweder sie werden von größeren Unternehmen aufgekauft oder gehen für immer ein. Als Hauptgrund wird dabei die mangelhafte oder sogar
fehlende Liquidation angegeben.

Damals galt das Internet noch als die Offenbarung des freien Welthandels, die sogar den kleinen Fotohändler vom Dorf internationale
Kundschaft bescheren sollte. Inzwischen hat sich aber gezeigt das im E-Business ohne ausreichend Millionen Startkapital nichts auszurichten ist.
Ohne massive Werbemaßnahmen, ausgeklügelte Kundenbindungsprogramme und Angeboten, die mehr leisten als die Konkurrenz, ist im
Internet heute kaum noch Geld zu verdienen. Viele Unternehmen sind vorsichtig gegenüber Dotcoms geworden und sind auf Distanz zu ihnen
gegangen. Das Image der New Economy Unternehmen hat sehr stark gelitten, als bekannt wurde, dass Adermillionen von Dollern sinnlos
verbrannt wurden. Heute rächt sich die Wirklichkeit mit wahren Zahlen. Start up Unternehmen, die oft von jungen unerfahrenden Leuten geführt
wurden, waren dem schnellen Wachstum der Branche nicht gewachsen. Daneben konnten nur wage Voraussagen zu zukünftigen Gewinnen
gemacht werden. Diese stellten sich jedoch im nachhinein oft als vollkommen überzogen heraus.

Ein ganz aktuelles Beispiel ist www.LetsBuyIt.com die im Januar 2001 Konkurs anmelden mussten, weil ihre liquiden Mittel zu Ende gingen.
Das Unternehmen war nicht in der Lage Gewinne zu machen. Doch LetsBuyIt hat noch einmal eine Aufschubsfrist bekommen. Das
Unternehmen konnte seinen Konkursantrag noch einmal zurückziehen, da es eine Finanzspritze von 50 Millionen DM zugesichert bekommen
hat.

In der New Economy wird es in der Zukunft nur ganz wenig Gewinner geben und sehr viel Verlierer. Einer der Gewinner wird die Old
Economy sein, die mit ihrem Geld, der oft gut ausgebauten Infrastruktur, und dem Know How der Start ups, das Rennen um neue Marktanteile
für sich entscheiden wird.





Die Internet Lügen und Online Mythen

Mythos 1:Das Internet befreit die Angestellten

Endlich richtig Spaß im Job haben, ohne Bosse, ohne Entfremdung.

Fazit:

Die von allen Zwängen befreite Arbeitswelt ist eine Illusion. Ohne Führung, Organisation und den Ausgleich von Interessen läuft kein
Unternehmen.

Auch die Internet-Firma Datango musste das lernen.

(Folgen: Einführung von "process owner", vulgo Abteilungsleiter, Stellenbeschreibungen und Zielvereinbarungen)

Mythos 2: Netzwerke sind effizienter als Konzerne

Klein gewinnt, Groß verliert - jeder der Firmengründer hat das Zeug, zum Weltmarktführer aufzusteigen. Man hat an das Paradies geglaubt.

Fazit:

Nur wenige Start-ups werden sich durchsetzen. Auch im Internet-Zeitalter machen interna-tionale Konzerne das Große Geschäft. (Otto Versand
Lufthansa übernehmen Führungsrollen im Online-Geschäft, B2C und B2B)

Mythos 3: Internet-Aktien steigen ewig

Bis zum Frühjahr letzten Jahres kannten die Prognosen der Internet-Analysten nur einen Tenor: Kaufen! Kaufen! Kaufen! Was zählt schon
Besitz in Zeiten der Revolution? Maschinenparks, Vertriebsmannschaften, Bürotürme ­ wer braucht das in der Ära des Netzwerks? Ein
Kleingeist, wer heute noch an etablierte Produkte und solide Gewinne glaubt. Morgen schon werden junge Start-up-Garden die neuen Herrscher
der Weltmärkte sein.

Fazit:

Anleger und Analysten haben den Wert der Internet-Unternehmen drastisch überschätzt. Die große Gier endete im großen Crash. Angestellte die
in Optionen bezahlt wurden können ihr Gehalt abschreiben, da oft der Wert ihrer Firma ins Bodenlose gefallen ist.

Mythos 4: Aus Mitarbeitern werden Millionäre

Es gab Beteiligungen oder Aktienoptionen statt hoher Festgehälter ­ und die Hoffnung, diese Anteile irgendwann zu einem Vielfachen des
Bezugspreises zu Geld zu machen.

Fazit:

Angestellte in Internet-Unternehmen verdienen in der Regel deutlich schlechter als die in der alten Wirtschaft. Wollen die Unternehmen bestehen,
müssen sie diese Lücke schließen,sonst besteht die Gefahr, dass sich die Mitarbeiter neue besser bezahlte Jobs suchen.

Mythos 5: Endloses Wachstum ohne Inflation

Inflation? Hohe Zinsen? Kein Thema! Das Internet sorge für einen dauerhaften, inflationsfreien Aufschwung, lautete die Verheißung. Die
Greenspan‘sche Glücksspirale ­ eine Nirvana -Ökonomie. Alte Konjunkturmuster gelten nicht mehr. Neue Zeiten ­ neue Regeln.

Fazit:

Wahr ist, dass das Internet die Wirtschaft produktiver macht. Falsch ist, dass es für einen endlosen, inflationsfreien Aufschwung sorgt.
Besonders nach den ersten Pleiten von Start ups ist das allen bewusst geworden.

Mythos 6: Entfernungen spielen keine Rolle mehr

Die Städte verschwinden. Sie sind überflüssig. Relikte einer Welt, in der Entfernungen noch eine Rolle spielten. Jetzt entsteht eine neue Welt.
Mit dem Internet kommt "der Tod der Distanz". Das Netzwerk übernimmt die Funktion der Stadt. Es wird selbst zu einer "Stadt, die nicht an
einem bestimmten Punkt auf der Erde verwurzelt ist".

Fazit:

Ballungsräume werden nicht die Geisterstädte der E-conomy, sondern, im Gegenteil, ihre Brutstätten. Start up Unternehmen lassen sich oft in
Ballungsgebieten auf der ganzen Welt nieder, und tragen so maßgeblich mit zur Stadtentwicklung bei.

Mythos 7: Alle Macht geht vom Kunden aus

Die Herrschaft des Verbrauchers ist angebrochen. Zu jedem Dampfbügeleisen gibt es eine Waschmaschine gratis. Vertriebsdirektoren werfen
sich vor machttrunkenen Hausfrauen in den Staub: "Bitte kauft uns etwas ab. Der Preis? Egal. Nur nicht zur Konkurrenz wechseln."

Fazit:

In vielen Branchen senkt das Internet die Kosten. Die Einsparungen werden nur zum Teil an die Kunden weitergegeben. Mit einer
Machtverschiebung zu Gunsten der Verbraucher hat dies nichts zu tun.





San Francisco und das Silicon Valley -- Opfer des eigenen Erfolges

Das Silicon Valley könnte den Rang Nr.1 der High-Tech-Zone verlieren. Gründe dafür sind die horrenden Mieten, die astrologischen
Immobilienpreise, mangeln an Arbeitskräften sowie gigantische Verkehrsprobleme.

Immer mehr junge Start ups gehen

Viele können die hohen Mietpreise nicht aufbringen. Das zeigt die wachsende Zahl der Obdachlosen. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird in
San Francisco immer größer.

Immer stärker wird der Unmut der Nichttechniker gegen den Dotcom-Wahnsinn:

Seit Monaten wird in San Francisco gegen die "Tech-Yuppies" gewettert. Sie werden als "Dot-Communisten" und "eHoles" bezeichnet.

Im Hippie-Viertel Haight-Ashbury sind Plakate mit www.blowthedotoutyourass.com aufgetaucht. Dies ist eine der angesagtesten Internetseiten gegen den Dotcom-Wahnsinn.

Der Kampf gegen die Internet Millionäre hat begonnen. Daneben sind noch Plakate wie:

ButIdon`tNeedMyToothpaste.com

IjustHadARectalExamOnline.com

FuckYouAndTheStartupYouRodeInOn.com

Kill the Dotcoms

Schmeißt die Yuppies raus

aufgetaucht.

Im Latino dominierten Mission District formierte sich eine "Antie-Dotcom-Guerilla".

Im Juli 2000 forderte Kevin Keating, Leiter der "Yuppie Eradication Project", dazu auf Luxuskarossen der Dotcommies zu demolieren und
Scheiße auf sie zu schmeißen.

Dies alles ruht daher, weil sich die Mieten verdreifacht haben und alt eingesessene Szene Kneipen, Theater oder kleine Galerien schließen
müssen.

Doch die ganze Ironie an der Geschichte ist, das weswegen die Dotcommer nach San Francisco gekommen sind, nämlich den Flair und Charme
der Stadt, zerstören sie mit ihrem Geld.



Last Tuesday

Hier treffen sich Leute die das Internet betrifft kein Geld, keine Ideen und keine Kontakte haben. Treffpunkt ist jeden letzten Dienstag im Monat
im ehemaligen Telegraphenamt in der Ziegelstraße in Berlin Mitte.

Für Sebastian Lutgert, eine der Mitbegründer, ist es zur Zeit eine "verengte Wahrnehmung des Netzes". Es soll hier in erster Linie um eine
Netzkultur gehen. Mit dem Last Tuesday soll gezeigt werden, dass das Internet mehr ist als eine Brutstätte für 25 jährige Millionäre. Es sollte ein
Ort geschaffen werden, wo man kritische Debatten über und um Netzthemen führen kann.

S. Lutgert steht der Startupkultur und dessen Umfeld sehr kritisch gegenüber. Das bringt er auch auf seiner Homepage www.rolux.org zum Ausdruck. Dort schlägt einem gleich der Schlachtruf "Burn, Venture Capital, burn" entgegen.



Doch keine Angst, so düster wie hier die New Economy dargestellt wurde ist sie nicht. Es wird weiterhin viel Geld in die New Economy investiert und es gibt immer noch Erfolgsstorys wie Yahoo oder Cisco Systems.

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