Was lassen sich Firmenchefs einfallen, um die Mitarbeiter am Ball
zu halten?
Das Thema existiert schon so lange, wie es Unternehmen mit Vorgesetzten
und Angestellten gibt. Das kann man mindestens 100 Jahre zurückverfolgen.
In der Psychologie sprechen wir von extrinsischer und intrinsicher
Motivation. Das bedeutet, einerseits werden äußere Anreize wie
Arbeitszeiten, Lohn oder Akkordarbeit eingesetzt. Das ist die
traditionelle Schiene wie wir sie seit der industriellen Revolution
verfolgen. Eine Ergänzung taucht seit ungefähr den 30er-Jahren
auf, als man erkannte, dass bestimmte Motivationsfaktoren aus
der Person selbst herauskommen, z.B.: "Mir macht die Arbeit Spaß",
"Ich will mich in der Arbeit selbst verwirklichen", "Ich will
vorankommen und mit anderen zusammenarbeiten". Das sind also nicht
rein ökonomische Anreize.
Die Hinwendung zur intrinsischen Motivation hat bei Unternehmern
heftige Diskussion ausgelöst, wie sie ihre Mitarbeiter auch ohne
etwa ein Zusatzgehalt von zehn Mark mehr oder längere Urlaubszeiten
bei der Stange halten können. Stattdessen sollen die Angestellten
lieber Spaß an der Arbeit haben und die Motivation aus sich heraus
erleben. Dazu sind zunächst andere Strategien entwickelt worden,
die die Kooperation zwischen unterschiedlichen hierarchischen
Ebenen regeln sollen. Also: Wie hat ein Vorgesetzter mit Mitarbeitern
umzugehen oder wie sehen die Angestellten ihre Chefs. In den Vordergrund
geschoben hat sich dabei immer weiter das Miteinander im Betrieb,
was gleichzeitig den Abbau von Hierarchien zur Folge hat. Insgesamt
haben wir daher heute in weiten Unternehmensbereichen lockerere
Kommunikations- und flache Organisationsstrukturen mit größerem
Informationsaustausch.
Fördert das automatisch die Motivation?
In den letzten zehn Jahren wurde diese Entwicklung bewusst gefördert.
Man kann diese Enthierachisierung etwa durch die Erweiterung der
Kompetenzen der Mitarbeiter erreichen. Ziel ist, mehr in Autonomie
in die Unternehmen zu bringen und die Teamorientierung zu fördern.
Die Angestellten müssen dazu mit mehr Entscheidungs- und Handlungskompetenz
betraut werden, sie müssen ganzheitlicher denken und mehr Verantwortung
übernehmen. Man erwartet, dass sich dadurch automatisch auch andere
Motivationsansätze entwickeln.
Das gilt besonders für Startups?
In den Startup-Unternehmen der Neuen Ökonomie kommt noch ein ganz
anderer Aspekt dazu. Dort erleben wir unter Gesichtspunkten der
Arbeitszeitregelung etwas zugespitzt eine neue Mischung zwischen
Autonomie und Ausbeutung. Die Unternehmen sind von ihrer inneren
Strukturierung her oft so angelegt, dass feste Arbeitszeiten überhaupt
nicht sinnvoll sind. Es wird aufgabenbezogen gearbeitet oft
auch 48 Stunden lang an einem Stück. In Japan ist gerade eine
Firma verklagt worden, bei der ein Mitarbeiter nach vier oder
fünf Tagen ununterbrochener Schreibtischarbeit Selbstmord begangen
hat. Es besteht also auf der einen Seite eine neue Freiheit, sich
seine Arbeit selbst einzuteilen. Das führt aber auch dazu, dass
über "tarifliche" Arbeitszeitregelungen sehr intensiv weitergeschuftet
wird.
Startups sind für ihre Burnout-Effekte bekannt. Können Motivationsaspekte
wie Kickern die langen Arbeitszeiten erträglicher gestalten und
das Firmenklima verbessern?
Es gibt ja seit längerem die skurrilsten Methoden, Teamgeist in
Unternehmen zu fördern. Das geht von Firmen, die ihre Mitarbeiter
im Urwals aussetzen und Würmer fressen lassen, bis zu gemeinsamen
Seilkletterpartien. Das alles sind abenteuerliche Ansätze, die
jeder wissenschaftlichen Basis entbehren, schwer überprüfbar und
unter dem Stichwort "Mode" sehr gut unterzubringen sind. Auch
spezifische Formen der Pausenregulierung, zu der man das Tischfußballspielen
letztlich zählen könnte, sind seit Jahren vor allem in japanischen
und amerikanischen Unternehmen im Kommen. Sei es der Frühsport,
der gemeinsam betrieben wird, sei es die Einrichtung von Räumlichkeiten,
die mit der eigentlichen Arbeit nichts zu tun haben. Das Aufstellen
von drei Spieleautomaten und einem Kicker kann in diesem Sinne
durchaus eine Ergänzung sein, aber die Idee ist nicht neu. All
diese Dinge sind im Endeffekt dazu gedacht, den Arbeitsablauf
aufzulockern und sich bei diesen Gelegenheiten mental auszutauschen,
also bestimmte Gespräche in einem gelockerten Kontext weiterzuführen.
Dass dadurch die Motivation unmittelbar erhöht wird, ist aber
eine wagemutige Annahme. Kreative Pausen sind natürlich sinnvoll.
Aber ob sie durch Kickern angereichert werden müssen, bezweifle
ich.
Sie glauben also nicht, dass bald auch in Konzernen Kickertische
stehen?
Es ist nichts dagegen einzuwenden und es wäre eine Ergänzung zu
den Tischtennisplatten, die den etwas eintönigen Bewegungsablauf
auf einem Stuhl vor einem Computer heute schon auflockern sollen.
Aber all diese Geschichten dienen meiner Meinung nach eher einer
bestimmten Form der Entspannung und sind gut fürs Ausbrechen aus
der Routine. Die Motivationssteuerung ist aber noch nicht belegt,
speziell wenn es bei der eigentlichen Arbeit um die Inangriffnahme
komplexer Inhalte im Team geht.
Die Fragen stellte Stefan Krempl
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