New Economy -- Alternative Ökonomie
Schriftfassung des Referats von Olaf Goldschmidt

1.Die neue Wirtschaft

Am Ende des 20. Jahrhunderts befindet sich die Menschheit in einer Art gespannter Aufbruchstimmung. Die technische Entwicklung in den letzten Jahrzehnten, besonders die des Internets, führt weltweit zu heftigen Spekulationen über kulturelle und vor allem wirtschaftliche Entwicklungen. Das Internet wird als eine "Anschubinnovation" bezeichnet, die mit der Entwicklung der Dampfmaschine oder der Einführung der Fließbandproduktion zu vergleichen ist. Es soll die Wirtschaft reformieren zu einer "New Economy". Wodurch zeichnet sich diese vielbeschworene Form der Ökonomie aus, die oft auch als "Information Economy" benannt wird? Was führt dazu, daß einige Wissenschaftler behaupten, daß sie das bisher bahnbrechendste Ereignis der Menschheitsgeschichte darstellen wird? Diese und weitere Fragen sollen Gegenstand der folgenden Ausführungen sein.

1.1 Die Grundzüge

Eines der wichtigsten Merkmale der New Economy ist die Tatsache, daß Informtionstechnologie an sehr großer Bedeutung gewinnt, somit die bisherige fundamentale Wichtigkeit der Industrieproduktion verringert wird und, dadurch bedingt, gravierende kulturelle, politische und wirtschaftliche Veränderungen zu verzeichnen sein werden. Diese Veränderungen vollziehen sich in fünf verschiedenen Phasen (vgl."Dawn of the Hydrogen Age"by J. Leslie: http://www.wired.com/archive/5.10/hydrogen.html). Den Inhalt der ersten Phase bildet die Ausstattung aller Haushalte, Firmen und öffentlichen Einrichtungen mit Computern. Diese sind sehr wichtig, da sie die Grundlage für die Kommunikation und Entstehung globaler Verbindungen darstellen. Es werden neue Arbeitsbereiche geschaffen, wie z.B. in der Medienindustrie oder im Bereich des elektronischen Handels. Darauf kann dann die zweite Phase aufbauen, die der Telekommunikation. Die staatlichen Telefongesellschaften werden privatisiert, was zur Folge haben wird, daß die einfachen Telefongebühren entfallen werden. Das ist dann auch die Grundlage für die "Information Economy", auf die ich später noch genauer eingehen werde. Nach der Aussage von Leslie, soll zum Beginn des dritten Jahrtausends die dritte Phase in Kraft treten, die der Biotechnologie. Durch diverse wissenschaftliche Erkenntnisse wird es 2007 und 2012 möglich sein Krebs zu therapieren, und im Bereich der Agrarwirtschaft wird die Gentechnik dazu beihelfen, Natur und Umwelt zu steuern (Grüne Revolution). Tiere werden ab 2005 als Orgenspender genutzt und ab 2025 wird auch DNA- computing nichts Unmögliches mehr sein. In der Phase der Nanotechnologie, die sich nahtlos anschließen soll, wird es möglich sein, einzelne Atome zu konstruieren und einfache Zellreparationen durchzuführen. Die fünfte Phase umfaßt die alternative Energie. Da die Ölreserven der Erde zur Neige gehen, müssen neue Energiequellen erschlossen werden, die zum einen die führenden Wirtschaftsmächte unabhängiger machen und zum anderen für eine Veringerung der Umweltbelastung sorgen. So wird z.B. Wasserstoff als möglicher Energielieferant für Automotoren angesehen. Das Auftanken wird dann erst nach einigen tausend Kilometern nötig sein.

1.2 Der aktuelle Stand

Nun hat Leslie nicht gesagt, daß diese genannten fünf Phasen exakt nacheinander einsetzen werden. Gewiß, ohne die weite Verbreitung von Computern, ist keine globale Telekommunikation möglich, also auch keine Information Economy, die Bio- und Nanotechnologien können sich sicherlich aber auch durchaus parallel entwickeln.

Die mangelnde Verbreitung von Telekommunikationstechnik ist derzeit auch ein zentraler Punkt in der Diskussion um die New Economy. Wenn man bedenkt, daß man sich diese Form von Wirtschaft im Rahmen der Globalisierung betrachten muß, dann entstehen schon einige neue Fragen. Dreißig Prozent der Weltbevölkerung hat noch nie ein Telefongespräch geführt und auch in einer Industrienation wie Deutschland ist ein Computer in längst nicht allen Haushalten selbstverständlich.

Unter diesem Licht betrachtet, erscheint die eingangs angeführte Aussage vom "bahnbrechendsten Ereignis der Menschheit" doch als spekulative These.

1.3 Was bedeutet das für Startup- Unternehmen?

Nun an dieser Stelle muß erwähnt werden, daß Startup-Unternehmen "Kinder des Sturms" sind. Damit meine ich, daß viele von ihnen auf dem Markt erschienen sind, gerade weil der Wind der Spekulationen dort so heftig weht. Einige von ihnen werden einfach umgestoßen und andere werden dadurch vorangetrieben. Die Entwicklungen am "Neuen Markt" an der deutschen Börse sind ein deutliches Beispiel dafür. Viele der dort verzeichneten Startups gehören der Kommunikations-, Biotechnologie- und Dienstleistungsbranche an. Ihre Kurse sind äußerst instabil, da es für Analysten häufig sehr schwer ist, die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Unternehmen zu bestimmen und zu analysieren. Außerdem kommt noch ein weiteres Problem hinzu,- die Emotionen der Anleger die diese Aufbruchstimmung noch schüren. Die Begeisterung hat gravierende Folgen. Die Faszination für das Neue führt im Allgemeinen zu Phasen, in denen sogenannte "Ausrüstungsinvestitionen" übermäßig zunehmen, weil sich die Unternehmen aufgrund dieser Begeisterung finanzielle Mittel weit unter dem langfristigen Gleichgewichtssatz beschaffen können. Die Erfahrung der Vergangenheit läßt vermuten, daß zahlreiche Investitionen im Bereich Invormationstechnologie in Zukunft nicht genug rentabel sein werden, weil ihre Finanzierung offensichtlich zu günstig war. Die kürzliche Konkursanmeldung der Firma Gigabell, vom neuen Markt, ist nur ein Beispiel dafür.

Doch womit arbeiten diese Unternehmen, was unterscheidet sie von der "Old Economy", kurz, was sind die Prinzipien der New Economy?

1.4 Die Prinzipien der New Economy

In diesem Abschnitt soll der Backround beschrieben werden, vor dem sich die wirtschaftlichen und gesellschaftlicen Veränderungen vollziehen sollen. Er ist gekennzeichnet von der Hochentwicklung der Informationstechnologie.

1. Die Informationsverarbeitung durch das Internet ist kosteneffektiver als direkte Werbung durch Aqquisition. Durch das Internet erfolgt die wichtige Informationskummulation.

2. Es gibt keine Entfernungen mehr. Die Welt ist dein Kunde und dein Wettbewerber gleichzeitig. Früher spielte der Zielort eine große Rolle um die Konsumenten und Wettbewerber zu bestimmen. Jetzt verbindet sich das Unternehmen mit Kunden in der ganzen Welt, wobei die Wettbewerber genauso schnell und über ihre Chancen und Risiken informiert sind.

3. Permanente Interaktivität ist sehr wichtig und sie bringt die schnellen Veränderungen mit sich. Unternehmen müssen die ständigen Veränderungen akzeptieren und Innovationen in ihr Konzept aufnehmen.

4. Als Human Recources sind Menschen sehr wichtig für den Erfolg des Unternehmens. Mit ihrem Wissen und Fähigkeiten stellen sie das eigentliche Kapital eines Unternehmens dar.

5. Das ökonomische Wachstum wird durch ein "Global Network" beschleunigt. Das Internet hat die Adaption der Produkte und Service durch virtuelles Marketing verbreitet. Das eröffnet große Chancen für die Unternehmen, wenn sie auf die richtige Zielgruppe stoßen.

6. Der Wert eines Unternehmens steigt mit seinem Marktanteil.

7. Informationsvermittler ersetzen den herkömmlichen Vermittler. Traditionelle Aqquvisitoren sind durch die New Economy bedroht, in der der sich der Kunde direkt mit mit dem Produzenten in Verbindung setzen kann. Jedoch ist nicht zu verachten, daß sich eine neue Generation von Vermittlern herausbildet. Der Bedarf an Informationsvermittlern ist verursacht durch Informationsüberlastung. Deshalb bietet man den Kunden intelligente Beratungszentren, in denen die relevanten Informationen ausgewählt werden.

8. Auch die Märkte werden sich verändern. Die konsumenten profitieren von größeren Auswahlmöglichkeiten, und die Produzenten erhalten größere Chancen, bezogen auf Präsentation und Wachstum. Es ist für den Kunden nicht mehr nötig in einen Laden zu gehen, die Auswahl kann per Mouseclick erfolgen. Intelligente Software unterstützt den Kunden bei der Suche nach optimalen Lösungen. Die Unternehmen, die spezielle Dienstleistungen zu niedrigen Preisen anbieten, werden erstarken. Unternehmen, die sich auf eine physische Basis stützen, werden sich im Wettbewerb nur schwer behaupten können.

9. Die Information über ein Produkt ist kundenorientierter, als das Produkt selbst. Die Information ist ein wichtiger Bestandteil der Produkte und Dienstleistungen.

10. Der Zeitraum zwischen dem Wunsch des Konsumenten, ein Produkt zu erstehen und dem tatsächlichen Kauf, wird verkürzt. Es gibt keine Einschränkungen mehr auf der physischen Sphäre. Entdecken, Sehen und Kaufen eines Produktes bilden eine Einheit. Das ist dadurch möglich, daß sich Marketing, Vertrieb und Information im Netz zusammenschließen.

1.5 Der Untergang der "Old Economy"?

Nun wenn man die, im vorhergehenden Abschnitt, aufgeführten Prinzipien der neuen Wirtschaft auf herkömmliche Unternehmen, die der "Old Economy" angehören, projiziert, entsteht der Eindruck, daß für Karstadt &Co. bereits die letzte Stunde geschlagen hat. Wer präsentiert seine Waren schon in Schaufenstern, für die horrende Mieten gezahlt werden müssen und vor denen der potentielle Kunde im Regen steht?

Das das Gegenteil der Fall sein kann, bewieß jüngst ein Experiment in New York, welches von dem Buchhändler "Barnes & Noble" durchgeführt wurde. Im "Zwei-Stunden- Experiment", sollte jedes online bestellte Buch innerhalb von zwei Stunden aus den Läden zum Kunden nach Hause, oder ins Büro gebracht werden. Diesen Sevice konnte das Unternehmen nur bieten, weil es über Läden und Lagerhäuser in günstiger Stadtlage verfügt. Und da sind die Vertreter der bereits etwas belächelten "Old Ecocnomy" plötzlich im Vorteil. Während Online Firmen erst mit sehr hohen Kosten Lagerhäuser und Lieferzentren errichten müssen, können etablierte Unternehmen auf bereits bestehende Strukturen zurückgreifen. Es gibt Kaufhausriesen wie "Sears", die in den USA in jeder Ortschaft mit über 20000 Einwohnern ein Warenhaus betreiben und daher ihren Service auch flächendeckend anbieten können.

Dieses Beispiel läßt sich auch hierzulande nachvollziehen. Die Metro AG will etwa 250 Mio. Mark in ihre Internetaktivitäten investieren. Bekannte Marken, wie "Media Markt", "Praktiker" und "Real" wollen ihre Dienste künftig auch online offerrieren. Solche Unternehmen haben das Ziel, Online-Business, stationäres Geschäft und Versandhandel miteineander zu verknüpfen. Diese Verbindung wird "Multi-Channel-Strategie" genannt . Sie stellt eine Symbiose aus Merkmalen der alten und neuen Wirtschaft dar.

Sehr erfolgreich wenden auch viele Banken diese moderne Strategie an. Commerzbank (Comdirekt), Schmidt-Bank (Consors), Hypovereinsbank (Direkt-Anlage-Bank) und Dresdner Bank (Advance Bank) haben neben einigen anderen ihre Töchter erfolgreich am Neuen Markt, welcher die Unternehmen der "New Economy" zusammenfaßt, erfolgreich etabliert. Die feste Position der Mütter in der Finanzwelt, war für die Tochterunternehmen von entscheidender Bedeutung. Internet- Newcomer wie die Netbank, die diesen Rückhalt nicht hatte, taten sich in der Startphase wesentlich schwerer.

Aufgrund der guten Erfahrungen, man bei der Verbindung der beiden Wirtschaftformen gemacht hat, sagen Wirtschaftsexperten voraus, daß die sogenannte "One-Economy" (Old-New-Economy) eine große Zukunft haben wird.

 

2. Tauschen, Schenken, um Aufmerksamkeit buhlen

Wie Eingangs bereits erwähnt, ist gegenwärtig ein Wandel von der Industrie- zur Informationgesellschaft zu verzeichnen. Die Produktion von Wissen tritt an die Stelle der Güterproduktion, es bilden sich neue Marktplätze heraus. Damit einher geht der Verlust des Materiellen, was den Wissenschaftsbereich der Informationsökonomik ins Zentrum des Interesses rückt. Die Informationökonomik beschreibt jedoch nicht den Wandel von der Industrie- zu Informationsgesellschaft, sondern handelt von den Vorzügen des Informiertseins und den Kosten, die es sich lohnt dafür auszugeben.

2.1 Vom Wirtschaften mit Informationen

Aufgrund des großen Potentials des Internet, ist nicht die Beschaffung und Verbreitung von Informationen als Problem anzusehen, sondern vielmehr das Gegenteil- eine Informationsflut. Daher ist es schwierig und zum Teil auch kostspielig, genügend Kapazitäten aufzustellen, die die Informationen aufnehmen und selektieren. Die Aktivität des Verstehens kostet zum Einen Zeit und zum Anderen Energie, beide Größen sind nicht vermehrbar, sind können lediglich mehr oder weniger effektiv angewendet werden. Das Problem ist daher, daß Zeit und Energie der Menschen um so knapper werden, je höher die Flut der Informationen steigt. Um so wichtiger und bedeutender wird es, wenn einer bestimmten Information Aufmerksamkeit geschenkt wird. Nun sind wir an einem ganz zentralen Punkt der Informationwirtschft angelangt, bei der Aufmerksamkeit. Information ist nicht gleich Wissen, sie muß erst durch Aufmerksamkeit zu solchem gemacht werden.

"Gibt es ein Maß, welches sowohl die Beachtung, die wir zwischenmenschlich tauschen, als auch den Wert einer ökonomischen Neuigkeit mißt? Es gibt diesen Begriff und es gibt dieses Maß.(...)-Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit ist die knappste Ressource in der Informationsverarbeitung. (...) Aufmerksamkeit ist die Währung des immateriellen Einkommens. Die Aufmerksamkeit, die sie findet, ist das Maß für den Nutzwert von Information."

(http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/6313/1.html)

Diese Größe der Aufmerksamkeit ist also eine Art Währung in der Informationswirtschaft, die gewissermaßen mit der Funktion des Geldes in der Industriegesellschaft zu vergleichen ist. Im Gegensatz zur Geldmenge ist das Aufkommen an aufmerksamer Energie bei einem Individuum aber nicht vermehrbar. Das Aufkommen wächst mit der Zahl der Wesen, die bewußt an der Information interressiert sind. Im Fall des Geldes kann die Kaufkraft also mit dem Angebot mitwachsen, im Fall der Aufmerksamkeit kommt es hingegen irgendwann zu dem Punkt, an dem die organische Beschränkung des Aufkommens beginnt, selektiver zu wirken als das verfügbare Geld.

Nun fragt man sich beim surfen durch den Cyberspace jedoch, ob diese Diskussion um Bezahlung und Währung nicht völlig umsonst ist, denn es gibt ja eh fast alles umsonst. Weit gefehlt!

2.2 Der Informationsaustausch

Wenn ich als User online gehe, kann ich mich einer Fülle von Angeboten erfreuen,die mich im Prinzip nichts kosten. Ich kann z.B. die neuesten Meldungen des Tages lesen, e- mails verschicken oder Börsenkurse abfragen. Ich habe das Gefühl, nichts zu geben aber dennoch zu nehmen. Wie funktioniert dann das System wirtschaftlich? Ganz einfach,- ich gebe nämlich doch etwas. Wenn ich mir eine e-mail Adresse zulege, gebe ich zum Beispiel persönliche Daten an. Wenn ich durch das Netz surfe, werden mir zum Beispiel cookies angeheftet, die zur Informationsbeschaffung dienen. Ich werfe also auch etwas in den Topf hinein, aus dem ich etwas nehme. Deshalb ist auch der Begriff des "Kochtopfmarktes" entstanden.

Obwohl der Zusammenhang zwischen Geben und nehmen relativ schwach ausgeprägt ist, ist er im Netz von fundamentaler Bedeutung. Jede Ressource, die man dem Internet ohne Bezahlung entnimmt, wurde von Anderen dort abgelegt, die meist keine Bezahlung dafür erhalten haben; die Ressourcen des Netzes, die man selbst konsumiert, wurden von anderen aus ähnlichen Gründen dort abgelegt- imAustausch für das, was sie selbst konsumiert haben. Der Kochtopf sprudelt, weil Menschen Dinge hineinwerfen, während sie selbst und andere Dinge herausnehmen.

In der realen Welt würde dieses Kochtpf-Modell jedoch vermutlich nicht existenzfähig sein, weil niemand die Gewißheit haben könnte auch etwas zurück zu erhalten, wenn er etwas gegeben hat.

 
Literatur

Ayer Gosh,Rishab,Kochtopfmärkte, http://www.heise.de/tp/deutsch/special/wos/6456

Franck,Georg,Jenseits von Geld und Information, http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/6313/1.html

Béguelin,Jean-Pierre, Risiken und Nebenwirkungen der New Economy, FTD vom 13.6.2000

Krugman,Paul,Wie eine Achterbahn,Wirtschaftswoche vom 13.7.2000

Spegel,Hubert, Das Imperium schlägt zurück, Com!online 8/2000, 36ff.

plan

literatur

links

zitate