Stefan Krempl (mit Orlin Spassov)

 

Von der Kommunikations- zur Medienforschung: Grundmerkmale der Theorieentwicklung von den Siebzigern bis heute

Auf dem Weg zu den "Cultural Studies"

Die Aktualisierung des Kreises von Fragen, die mit dem Problem der Medienrepräsentanz verbunden sind, ist vielleicht der charakteristischste Zug des seit Anfang der 70er Jahre dominierenden theoretischen Paradigmas. Vom Gesichtspunkt der Methodologie kann der Wandel durch die Integration einer europäischen sozialen Theorie in den kritischen Diskurs der Medien charakterisiert werden. Zum ersten Mal wurde eine klare und kategorische Alternative zum vorliegenden Status quo der Medienforschung formuliert.

Das Interesse an der Repräsentanz entstand mit der Umorientierung der Medientheorie auf die Fragen, die mit der Ideologie verbunden sind. Stuart Hall beschreibt den breiten Rahmen dieses Prozesses als eine Bewegung von der „behavioristischen zur ideologischen Perspektive“ (Hall, 1995, 56). Der Wandel selbst wird oft als „Wiederentdeckung der Ideologie“ kategorisiert (1). Das Spezifikum, mit dem sich die Medienforschungen für die soziale Theorie öffnen, ist von diesem Akzent stark abhängig.

Die Beziehung "soziale Theorie -- Medienforschung“ verläuft nicht problemlos. Einer Reihe von Autoren zufolge ist die Ignoranz der Medienproblematik im Kontext der sozialen Theorie eine gewöhnliche Praxis. John Thompson z.B. vermerkt, dass eine ähnliche Tendenz "bis hin zu den klassischen Sozialdenkern aus dem 19. Jahrhundert wie Marx, Weber und Durkheim zurückverfolgt werden kann, deren Werke praktisch die Frage nach den Medien und ihrer Rolle in der Entwicklung der modernen Gesellschaften verschweigen. Wenn man die Arbeit der Sozialtheoretiker der Gegenwart verfolgt, ist ebenfalls eine systematische und erweiterte Reflexion auf die Medien schwer zu finden, unabhängig davon, dass sich einige dieser Denker mit der Verbreitung symbolischer Formen in der sozialen Umwelt direkt beschäftigen“ (Thompson, 1994, 27). Obwohl Thompson hier in gewissem Sinne extrem formuliert, bemängeln zahlreiche Autoren das "Defizit“ eines Ausgleichs. Den suchen nun die Autoren der neuen theoretischen Welle.

Als Wendepunkt wird in der Regel die Herausbildung des Problemfelds der Cultural Studies (>>> EServer bietet eine ausführliche Datenbank mit Autoren rund um Cultural Studies, Critical Theory oder Media Studies) in den 1960er und 1970er Jahren in Großbritannien angesetzt (2). Die Änderungen in der Interpretation der Medien zeichnen sich auch bereits durch die Verschiebung des Akzents in der Benennung der wissenschaftlichen Sphäre deutlich ab. Der klassischen Etikette mit empirischem Klang amerikanischer Konvenienz wie etwa "Massenkommunikationsforschung“ (“mass-communications research“) werden die in den Implikationen mehr humanitär klingenden "Medienstudien“ (“media studies“) oder Kommunikationsstudien (“communikation studies“) (3) gegenübergestellt. Diese Bezeichnungen sind analog zu der verallgemeinernden Definition "cultural studies“ konstruiert und mit vielen theoretischen Besonderheiten dieser Richtung verknüpft.

Die folgenden Veränderungen sind in ihrer Bedeutung sehr weit gehend. Das "Paket“ neuer Vorschläge wird als "kritisches Paradigma“ oder "kritische Schule“ präsentiert, um eine intellektuelle Nähe zur Tradition der Kritischen Theorie zu indizieren (4). Die Möglichkeit der Medien, auf neue Weise zu sprechen, wird in bedeutendem Maß auf ihre Problematisierung im Kontext der für die Kulturforschungen zentralen Kategorie "Kultur“ zurückgeführt.

Kultur wird dabei nicht als neutraler Begriff betrachtet. Der Gebrauch von "Kultur“ in diesem Paradigma fasst John Fiske gut zusammen:

Beim Terminus Kultur, so, wie er in der Phrase 'Kulturforschungen’ gebraucht wird, ist der Akzent weder ästhetisch, noch human, sondern politisch. Die Kultur hat nicht die Bedeutung von ästhetischen Idealen für Schönheit und Form, die in der großen Kunst anzutreffen sind oder in Begriffen mit humanistischem Klang wie die Stimme des 'menschlichen Geistes', der die Grenzen der Zeit und Nation transzendiert, um den hypothetischen universellen Menschen zu bezeugen. … Die Kultur ist eher eine Lebensweise in der Industriegesellschaft, die alle Bedeutungen der sozialen Erfahrung erfasst (Fiske, 1997, 284) (5).

Die Bedeutungserweiterung des Begriffs „Kultur“ wird begleitet von der Beachtung von Alltagsproblemen, von der Einbeziehung von "Zonen“, die traditionell nicht unbedingt unter den Kulturbegriff fielen. In der Medienforschung reflektiert diese Tendenz das verstärkte Interesse für die ethnografischen und subkulturellen Aspekte des Auditoriums. In den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken die Formen, auf die verschiedene soziale Gruppen, besonders marginale, in Beziehung zu Medientexten eingestellt sind, und wie sie ihre Identitäten in Abhängigkeit von der gesamten Medienumwelt gestalten. Andererseits wird die Aufmerksamkeit auch auf die Mittel gerichtet, mit deren Hilfe diese Sozialgruppen oder Subkulturen in den Medien repräsentiert werden.

In ähnlichen Punkten ist diese Zuwendung zur Sozialtheorie nicht nur möglich, sondern auch notwendig. Die Medienforschung erweitert ihre theoretische Basis weit über die für die empirischen Methoden notwendige Basis hinaus. Das Theoretisieren und die praktische Erforschung der Kommunikation schließt nun auch die Errungenschaften der Anthropologie, Kulturologie, Semiotik und der Psychoanalyse mit ein. Die Ideen von Autoren wie Ferdinand de Saussure, Peter Berger und Thomas Luckmann, Claude Levi-Strauss, Roland Barthes oder Louis Athusser liegen der methodologischen Wende zugrunde. Das neue theoretische Instrumentarium ermöglicht, Positionen zu erreichen, die für die klassische empirische Soziologie unzugänglich sind (6).

Das Feld der drei Hauptforschungsbereiche, die im Rahmen des vorhergehenden Paradigmas von Katz und Lazarsfeld formuliert wurden, wird um neue Hypothesen erweitert. An erste Stelle soll die Kritik an der Idee von der garantierten oder direkten Medienwirkung gestellt werden. Stattdessen werden die Medien als eine "große kulturelle und ideologische Macht behandelt, die sich in einer dominierenden Position in Beziehung auf die Art und Weise befindet, in der die sozialen Beziehungen und politischen Probleme sowie die Produktion und Transformation der populären Ideologien in den Auditorien, auf die sie gerichtet sind, definiert wurden“ (Hall, 1992a, 117). Der traditionellen Herangehensweise an Inhalt, Auditorium und Effekt stellt die neuen Medienforschung entsprechend das Interesse an der "linguistischen und ideologischen Struktur“ des Medientextes gegenüber, mit einer "aktiveren" Konzeption vom "Publikum“ und mit der Ausrichtung der Analyse auf die "Rolle, die die Medien in der Verbreitung und Gewährleistung der dominierenden ideologischen Definitionen und Repräsentationen spielen“ (ibid., 118). Die Kommunikation wird nicht mehr als ein Prozess betrachtet, sondern als Produktion und Austausch von Bedeutungen, die von der sozialen und ideologischen Charakteristik des entsprechenden Kontextes abhängen. So wird dem traditionellen Herangehen an die Medienwirkungen die Idee von der ideologischen Effektivität der Medien gegenübergestellt.

Stuart Hall (1995) umreißt einen breiten Kreis kritischer Positionen, die mit dem neuen Paradigma verbunden sind. Die Tradition bis in die 70er Jahre hinein wurde vor allem wegen ihres Verzichts kritisiert, die Medien in einem umfassenderen sozialen Kontext zu betrachten. Das verringert das Theoretisieren auf das Lösen einzelner spezifischer Probleme. Es ist kein Zufall, dass im Rahmen des neuen Paradigmas Analysen politischer Wahlkampagnen als bevorzugtes Forschungsmodell gewählt wurden; dieser Umstand ist mit der Hypothese eines möglichen Einflusses auf das Verhalten des Individuums verbunden. Der Kritik wird auch die Methode der Inhaltsanalyse und der dahinter steckenden Logik unterzogen, laut der ein ähnliches Wissen vom Inhalt fraglos als "objektiv“ hingestellt werden kann. Als kritische Antwort auf die Logik des Objektivismus ist das Interesse vom Feld der "manifestierten Botschaft“ auf die Forschung seiner ideologischen Strukturiertheit gerichtet.

Die kritische Schule definiert die Auffassung von der Macht der Medien neu. Das Interesse ist nicht mehr in gleichen Maße wie zuvor auf Fälle gerichtet, die mit der Möglichkeit verbunden sind, die Botschaft direkt auf ein Publikum einwirken zu lassen, sondern eher auf die Rolle der Medien, "eine einheitliche ideologische Umwelt“ zu gestalten (ibid., 65). Lanciert wurde die wichtige Idee, dass die Medien den Status und die Reproduktion der dominierenden ideologischen Diskurse aufrechterhalten können, ohne dass die Notwendigkeit unbedingt besteht, dies bewusst oder im Rahmen eines bereits durchdachten Projekts geschehen zu lassen. "Im kritischen Paradigma ist die Ideologie eher Funktion des Diskurses und der Logik der sozialen Prozesse als Vorhaben des Agenten“, vermerkt Hall (ibid., 88). Folglich sind die Medien in die Aufrechterhaltung der bereits existierenden Hegemonie einbezogen, auch wenn auf sie kein direkter politischer Druck ausgeübt wird oder wenn sie sich selbst als "unabhängig“ oder "neutral“ definieren.

Althussers Ideologiebegriff

Auf theoretischer Ebene ist die "Neuentdeckung der Ideologie“ und das Interesse an der Medienrepräsentanz eng miteinander verbunden. Diese Nähe wird in großem Maße auf den Beitrag von Louis Althusser zur Ideologie-Interpretation zurückgeführt. Seine Ideen haben eine außerordentlich große Wirkung auf Autoren, die am kritischen Paradigma und am breiteren Rahmen der Kulturforschung arbeiten.

Die produktive Verbindung zwischen Ideologie und Repräsentanz bei Althusser liegt der Definition der Ideologie zugrunde. Für Althusser ist "die Ideologie 'Repräsentanz’ der eingebildeten Beziehung der Individuen zu ihren realen Lebensbedingungen“ (Althusser, 1966, 17). Sie gehört nicht nur dem Ideenbereich an, sondern sie ist "materiell anwesend“ (ibid., 19) und zwar so, wie auch die nicht-ideologischen Praktiken materiell anwesend sind. In diesem Punkt korrigiert Althusser wesentlich die Idee von der Ideologie als "falschem Bewusstsein“. In der Theorie von Althusser steht die Ideologie in engem Zusammenhang mit den sozialen Praktiken und mit der Bedeutungsproduktion, sie ist ein "System von Repräsentationnen“ (7). An diese Praktiken und Interpretationsweisen kann außerhalb des Systems nicht gedacht werden. "Es existiert keine Praxis, außer durch und in einer gegebenen Ideologie“, stellt Althusser fest (ibid., 21). Die Ideologie selbst ist in den entsprechenden sozialen Praktiken und ihren institutionellen Stellen bzw. Institutionen -- "den ideologischen Staatsapparaten“ -- inbegriffen; also in Familie, Schule, Medien, im politischen System usw. (8). Obwohl sie in Wechselbeziehungen stehen, behalten sie ihre "relative Autonomie“. Die Ideologie reproduziert sich in der alltäglichen Arbeit der Apparate.

Später ergänzt Hall Althussers Idee:

Es gibt eine Spezifität bei diesen Praktiken, deren grundsätzliches Ziel es ist, ideologische Repräsentationen zu erzeugen. Sie unterscheiden sich von den Praktiken, die … andere Produkte erzeugen. Die Menschen, die in den Medien arbeiten, erzeugen, reproduzieren und transformieren das Feld der ideologischen Repräsentanz selbst. Als Ganzes stehen sie in einem anderen Verhältnis zur Ideologie im Unterschied zu anderen, die die Welt der materiellen Produkte produzieren und reproduzieren, diejenigen also, die trotz allem von der Ideologie geprägt sind (Hall, 1991, 101).

Vom Gesichtspunkt der Theorie der Ideologie, die von Althusser vorgeschlagen wurde, können die Beziehungen der Macht nicht in der Kategorie der einfachen Herrschaft bestimmter ideologischer Systeme über andere betrachtet werden. Die Ideologien sind ein Produkt der Repräsentanz, der verschiedenen Weisen, die Welt zu präsentieren. Sie formieren sich immer in einem Prozess, sie sind "hyper(super)determiniert“ vom komplizierten und oft unsichtbaren Netz der Beziehungen zwischen den Institutionen.

Die Idee von der relativen Autonomie ist noch mit der Möglichkeit verbunden, die ideologischen Staatsapparate die Beziehungen, in die sie treten, als universell, natürlich, als von jeglichen spezifischen Interessen befreit zu präsentieren. "Dieses Moment, das auf das Erringen universeller Validität und des Legitimierens von Beschreibungen der Welt, die partiell und spezifisch sind, sowie auf die Herstellung dieser spezifischen Konstruktionen als zum Aspekt des 'Reellen' gehörend gerichtet ist, stellt eigentlich den charakterisierenden und definierenden Mechanismus des 'Ideologischen' dar", vermerkt Hall (Hall, 1995, 65). Das Problematisieren der Repräsentation steht im Zusammenhang mit den Formen der ideologischen Medienanalyse, welche die Aufdeckung dieser Beziehungen zum Ziel hat.

Durch die von Althusser eingeführten und von seinen Nachfolgern weiter entwickelten analytischen Strategien wurde das Problem der Repräsentanz in den Medien ins Feld der semiotischen und diskursiven Analyse gerückt. Der Strukturalismus von Althusser nähert die Interpretation den Modellen der Sprachforschung an. Die Systeme der Repräsentation werden vor allem als "Strukturen“ (Althusser, 1990, 233) in dem Sinne präsentiert, wie die strukturalistische Tradition mit diesem Begriff umgeht (9). Nicht zufällig wird im Kontext des kritischen Paradigmas die Beziehung Ideologie -- Repräsentanz oft als eine Form konzeptueller Überlappung beider Begriffe gesehen. Im Zusammenhang mit der ideologischen Analyse behauptet Mimi Withe, dass "die Ideologie keine Botschaft ist, die im Text oder im Repräsentationssystem verborgen ist, sie ist das Repräsentationssystem an sich" (White, 1997, 170).

Ideologie und Sprache sind nicht identisch. Es ist möglich geworden, dass "durch“ die Repräsentanz die Ideologie im Plan der nicht demonstrativen Organisiertheit des Textes besprochen, ihre Strukturiertheit erforscht werden kann. Auf diese Weise konzentriert sich die Analyse auf Bedeutungen, die sich unter der "Oberfläche“ der Botschaften, außerhalb ihrer explizierten Form befinden. Diese neuen Möglichkeiten sind in theoretischer Symmetrie mit einer anderen Idee von Althusser: Vom dominierenden Unterbewußtseincharakter der Ideologie (10).

Die Erforschung der konkreten Textpraktiken f ührt andererseits zu Zweifeln an der Vorstellung vom reflexiven Charakter der Kommunikationsmittel. Verworfen wird die Möglichkeit, die Medien als "Spiegelbild“ der Realität darzustellen (11). Der Idee von der Durchsichtigkeit der Mediensprachen und der mit ihr verbundenen Konzeption von der Objektivität ist die Ansicht über die formierten in den Medien vermittelten Repräsentationen der Realität gegenübergestellt. Der Diskurs verliert seine "Unschuld“. Nach den Worten von Hall "kann die Realität nicht mehr einfach als eine Reihe von Tatsachen erörtert werden: Sie ist das Ergebnis einer spezifischen Weise, die Realität zu konstruieren. Die Medien definieren, sie reproduzieren nicht einfach die 'Realität'".

Die Definitionen der Realität werden aufrechterhalten und mithilfe all dieser linguistischen Praktiken (im breiten Sinne) produziert, durch die ausgewählte Definitionen des "Realen“ repräsentiert sind. Doch die Repräsentation unterscheidet sich wesentlich von der Reflexion. Sie setzt aktive Arbeit an Selektion und Präsentation, an Strukturieren und Formen voraus: Nicht nur die Übertragung der bereits bestehenden Bedeutung, sondern die aktivere Arbeit daran, die Dinge etwas bedeuten zu lassen. Sie ist Praxis, Produktion von Bedeutungen: Sie ist das, was später als "Bedeutung gebende Praxis" definiert werden kann (Hall, 1995, 64). Auf diese Weise ist die Repräsentation mit Vorstellungen vom Text nicht als eine vorliegende "Gegebenheit“, sondern als soziales Produkt in Verbindung gebracht.

In der frühen Periode der Entwicklung des klassischen Paradigmas ist die Richtung auf das Problem der Repräsentation von der Spezifik einer Reihe von konkreten Analysen inspiriert. Einen Anstoß verleiht das Interesse des Feminismus für die Fragen der sexuellen Unterschiede. Ein bedeutender Teil der ersten Forschungen wurden den Formen der Repräsentation der Frau in der Werbung und den spezialisierten "Frauenzeitschriften“ gewidmet (12). Zum ersten Mal ist dem visuellen Diskurs in den Medien ernsthafte Aufmerksamkeit geschenkt worden. Die Erforschung des Diskurses ist nicht nur auf die politisch orientierten Gattungen wie die Nachrichten, sondern auch auf die "niederen“ Unterhaltungsgenres der populären Kultur gerichtet. Das Auditorium wird als aktive Seite im Konstruieren der Bedeutung des Medientextes angesehen. Die Bedeutung selbst wird nicht mehr als streng fixiert gedacht. Die Interpretationsstrategien können gegen den "geplanten“ Sinn der Botschaft gerichtet werden. Auf diese Weise schließt die Analyse allmählich eine Umorientierung auf das "Lesen“ und den "Leser“, auf die subkulturelle Politik des Textgebrauchs, auf den Kampf um dessen Sinn ein (13).

Die kritische Schule bringt die soziale Situation des Subjekts mit den Systemen der Repräsentation in Zusammenhang. Diese beinhalten eine Form der Geschichte, die vom Historismus des Diskurses untrennbar ist: Die Repräsentation ist eigentlich auch Repräsentanz. Durchgesetzt hat sich die Idee von den Unterschieden, die jede Repräsentation unausweichlich einführt. Problematisiert werden die Spannungen, die zwischen alternativen Repräsentationen ein und derselben Ereignisse oder Tatsachen entstehen.

Das theoretische Interesse an der Repräsentation ist nicht isoliert von der Aufmerksamkeit gegen andere Faktoren. Die Einbeziehung der Sozialtheorie in die Medienforschungen erweitert ihren Umfang, führt jedoch nicht zu den für das vorhergehende Paradigma charakteristischen Verallgemeinerungen. Ohne Anspruch auf Ganzheit zu erheben, werden die Theorien von der Repräsentation oft zusammengesetzt oder mit anderen Methoden ergänzt (14).

Die weitere Entwicklung der Medienforschung in den 1980er und 1990er Jahren festigt und erweitert das Interesse am konzeptualen Bereich der Repräsentanz. Der Begriff wird im Zusammenhang mit dem Poststrukturalismus, Dekontruktivismus und dem Postmodernismus aktiv besprochen (15). Das Problem über die Krise in der Repräsentanz und den Debatten "Repräsentation“ -- "Antirepräsentation“ unterstreicht seine Schlüsselrolle. Die Verteidigung der mit der Repräsentation zusammenhängenden Ansichten wird sich in komplizierten und produktiven Beziehungen zu den neuen antirepräsentativen Einstellungen in der sozialen Theorie erweisen. Die zweite Phase im Gebrauch des Begriffs tritt ein: Die Beziehung Repräsentation -- Politik wird mit neuen Inhalten gefüllt. Zur gleichen Zeit verliert der Begriff "Ideologie“ seine vorherige Bedeutung.

Fußnoten

(1). Hall definiert die Veränderungen noch als „Rücken vom pluralistischen zum kritischen Modell der Medienforschung“ (Hall, 1995, 65).

(2). Die Entwicklung der Cultural Studies in Großbritannien steht in engem Zusammenhang mit der Arbeit im Zentrum gegenwärtiger Kulturforschungen in Birmingham (gegr. Im Jahre 1964 von Richard Hoggart) besonders in der Zeit, als sein Direktor Stuart Hall (zwischen 1969 und 1979) war. Es ist bereits viel Literatur über die Geschichte der Kulturforschung produziert worden.

(3). Der Unterschied zwischen research und study ist schwer wiederzugeben. Beide Begriffe werden als Forschung übersetzt. Im Englischen hat das Wort mehr die Bedeutung von konkreter Forschungsarbeit, während das zweite Wort besonders im Plural ein breiteres theoretisches Forschungsfeld oder eine ganze wissenschaftliche Sphäre anzeigt.

(4). Im Paradigma der Medienforschungen ist die Beziehung zur Tradition der Frankfurter Schule nicht eindeutig. Die im Kontext der Medien- und Kulturforschungen entwickelten Theorien über die populäre Kultur z.B. sind oft kritisch zu den Ideen von Horkheimer, Adorno und anderen zur Schule gehörenden Autoren.

(5). Diese Zusammenfassung erinnert an die Weise, wie Raymond Williams die Kultur problematisiert. Ihm zufolge soll die Kultur in ihrer Ganzheit studiert und die einzelnen Textpraktiken durch ihre Beziehungen zu den sozialen Institutionen, die sie konstruieren, betrachtet werden.

(6). Hall bezeichnet die Veränderungen sogar als „Bruch mit der Soziologie“ (Hall, 1992b). Die vorgeschlagene Alternative führt in Richtung Anthropologie, doch trotz des bekundeten „Bruchs“ mit der Soziologie spielt sie eine wichtige Rolle in der Praxis der Medienforschungen.

(7). Für mehr Einzelheiten sieh Althusser (Althusser, 1990, 233). Unter Systemen von Repräsentanzen versteht Althusser „allgemeine Mythen, Themen und Aspirationen, die die Repräsentation als ein kulturelles und ideologisches Phänomen möglich machen.

(8). Diese Apparate sind den traditionellen Represssionsapparaten wie Armee und Polizei gegenübergestellt.

(9). Über die Interpretation von strukturalistischen Momenten in der Theorie von Althusser vom Gesichtspunkt der Medienanalyse s. z.B. Marina Heck (Heck, 1992).

(10). Sieh in diesem Zusammenheng Althusser (Althusser, 1990, 233) Die theoretische Nähe Althusser‘s an Freud und Lacan ist von Hall breit kommentiert (Hall, 1991).

(11). Zur Kritik der Ansicht über die Medien als „ Spiegel“ oder Widerspiegelung der Realität sieh z.B. Bennet (Bennet, 1995 a).

(12). Sieh nach mehr Einzelheiten im Zusammenhang mit der Anfangsphase der Medienforschungen bei Hall (Hall, 1992a).

(13). Das Interesse an den Problemen des Lesens in den Medien wird gewöhnlich mit der Nähe der frühen britischen Medienforschungen bis zur Literaturtheorie in Verbindung gebracht.

(14). Diese Bindungen sind von John Corner detailliert beschrieben (Corner, 1997).

(15). Das Interesse der Medienforschungen an dem Poststrukturalismus besteht aus nicht langer Zeit. Diese Tatsache wirkt sich bedeutend auf das Theoretisieren der Medienrepräsentanz aus.

 
Literatur

Althusser, Louis (1990) For Marx, London and New York, Verso.

Althusser, Louis (1996) ‘Ideology and Ideological State Apparatuses’, in Rian, K. (ed.) New Historicism and Cultural Materialism, London, Arnold.

Corner, John (1997) ‘Television in Theory’, in Media, Culture & Society, vol. 19(2): 247-262.

Fiske, John (1997) 'British Cultural Studies and Television', in Allen, R. C. (ed.) Channels of Discourse, Reassembled. Television and Contemporary Criticism, London, Routledge.

Hall, Stuart (1991) ‘Signification, Representation, Ideology: Althusser and the Post-Structuralist Debates’, in Avery, R. K. and Eason, D. (eds.) Critical Perspectives on Media and Society, New York and London, The Guilford Press.

Hall, Stuart (1992a) 'Introduction to Media Studies at the Centre', in Hall, S., Hobson, D., Lowe, A. and Willis, P. (eds.) Culture, Media, Language, London and New York, Routledge.

Hall, Stuart (1992b) ‘Cultural Studies and the Centre: some problematics and problems’, in Hall, S., Hobson, D., Lowe, A. and Willis, P. (eds.) Culture, Media, Language, London and New York, Routledge.

Hall, Stuart (1995) 'The rediscovery of 'ideology': return of the repressed in media studies', in Gurevitch, M., Bennet, T., Curran, J. and Woollacott, J. (eds.) Culture, Society and the Media, London and New York, Routledge.

Heck, Marina C., (1992) ‘The Ideological Dimension of Media Messages’, in Hall, S., Hobson, D., Lowe, A. and Willis, P. (eds.) Culture, Media, Language, London and New York, Routledge.

Thompson, John B. (1994) 'Social Theory and the Media', in Crowley D. and Mitchell D. (eds.) Communications Theory Today, Stanford, Stanford University Press.

White, Mimi (1997) ‘Ideological Analysis and Television’, in Allen, R. C. (ed.) Channels of Discourse, Reassembled. Television and Contemporary Criticism, London, Routledge.

Modul aus einem Webseminar zu Communications Studies von Rebecca Sullivan zum Thema Cultural Studies

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