Aus einem Bericht über die Konferenz Monomedia (Mai 2000 in Berlin),
die sich mit dem Thema "Alternativ-Ökonomie" stark beschäftigte:
Michael Goldhaber, der Vordenker der Aufmerksamkeitsökonomie, ... vertritt die
Meinung, dass wir falsch liegen, wenn wir an Geld als wichtigstes
Medium für Austauschprozesse denken (Das gespenstische Leben des Geldes und die Ankunft der Aufmerksamkeitsökonomie). Diese seien generell von zahlreichen Kontexten abhängig sowie
nur schwer auf einen Nenner oder gar eine stabile Währungseinheit
zu bringen. Allein bei der sexuellen Begegnung zwischen zwei Menschen
könnten die unterschiedlichsten Dinge und Vorstellungen abseits
des Konzepts "Liebe" ausgetauscht werden, angefangen von Körperflüssigkeiten
über Machtansprüche bis hin zu Krankheiten.
Geld sei zwar seit Jahrhunderten einer der wichtigsten sozialen
Werte, da es ideal sei für den Austausch standardisierter Güter
und gesellschaftlichen Reichtum repräsentiere. Das Medium werde
aber gerade in den USA, wo für Goldhaber alles nur noch in Beziehung
zum Geld gesehen wird, deutlich überbewertet. Dieses Denken sei
sehr gefährlich, da es ähnlich wie der Bau der Berliner Mauer
oder die "Lösung" der Judenfrage alles einem Wert unterordne und
dadurch eine rigide Ordnung aufzubauen versuche.
Glücklicherweise "kommen wir aber in eine Ära, in der Aufmerksamkeit
wichtiger ist als Geld, um als attraktiv zu gelten." Gerade im
Internet wetteifern wir daher um die Gunst unserer Mitsurfer,
da über die neuen Medien Aufmerksamkeit besonders schnell und
direkt erteilt oder wieder entzogen werden kann. Doch nur wenige
Stars und Sternchen unter den Künstlern, Programmierern oder Startups
können die knappe Ressource wirklich auf sich ziehen - die Übrigen
müssen sich mit einem spärlichen Restfünkchen zufrieden geben.
Dass Werte eine äußerst subjektive Maßeinheit sind, bestätigte
auch Rishab Ayer Gosh, Begründer der Theorie von den Kochtopfmärkten und Chefredakteur des ökonomische Entwicklungen im Auge behaltenden
Netzmagazins First Monday. Seiner Meinung nach "verlieren wir in rein monetären Märkten
die Einsicht, dass alles mit Werten versehen werden kann." Wir
würden allzu leicht vergessen, dass die Menschen einen Großteil
ihrer Zeit Sachen machen, für die sie nicht bezahlt werden. Gerade
im Internet habe die Mehrzahl der Interaktionen wie die Beteiligung
an Mailinglisten oder Diskussionsgruppen nicht-monetären Charakter.
Diese Betätigungen seien allerdings trotzdem ganz klar "ökonomisch",
also produktiv, und in einem wirtschaftlichen Kontext zu verstehen.
Aufrechterhalten würde die Kochtopf-Ökonomie des Internet, in
die alle Beteiligten ihr Wissen und ihre Fertigkeiten einbringen
und aufgrund der digitalen Reproduzierbarkeit unendlich weiter
verteilen können, durch einen "balancierten Wertefluss": Die Teilnahme
an den Austauschprozessen im Netz werden von den Surfern so lange
als zufriedenstellend angesehen, als sich ihre Erwartungen an
das Wechselspiel von Geben und Nehmen erfüllten. Der Profit für
den Einzelnen übersteige in der Regel sogar seine ursprünglichen
Investitionen an Zeit und Wissensweitergabe, da das gemeinschaftlich
Zusammengetragene von höherem Wert sei als das individuelle Know-how.
|