Mit Wolfsgeheul zur Marke?
Werbung und PR für Startups (Von Stefan Krempl)

Die Ameisen waren wirklich niedlich -- und sie entsprachen sogar ziemlich haargenau den Idealvorstellungen von Werbung für Dotcoms, die Marketingexperten vorschwebt. Die soll nämlich nicht nur Aufmerksamkeit erregen -- worauf es die meisten Startups 1999 und Anfang 2000 mit fragwürdigen Kampagnen abgesehen hatten --, sondern auch "sympathisch" machen, wie Horst Wagner, Geschäftsführer der Hamburger Agentur Elephant Seven sagt (w&v 38/2000, 154). Das ist vor allem für Dotcoms wichtig, die eine Marke quasi aus dem Nichts in möglichst hohem Tempo aufbauen, eine Verbindung zu einer sinnlich schwer fassbaren Website mit einer neuartigen Dienstleistung schaffen und sich gegen Konkurrenten wehren müssen, die ihr Geschäftsmodell im schlechtesten Falle einfach kopieren können.

Rein rationale Vorteile sind im Internet schnell kopierbar und dienen daher kaum der Unterscheidung vom Wettbewerb.

Richard Tejada-Schmitz, Strategischer Planer der Düsseldorfer Agentur Grey

Doch die beste Werbekampagne nützt nichts, wenn das Geschäftsmodell nicht aufgeht oder die Kunden, die man erreichen will, vielleicht gar nicht vorm Fernseher sitzen. Die Millionen für die Spots und Anzeigen -- allein Letsbuyit.com ließ sich den Aufmarsch der Ameisen im ersten Halbjahr 2000 rund 23 Millionen Mark kosten (vgl. w&v 38/2000, 176) -- fehlen andersweitig im Unternehmensbudget und werden von den Kunden, die tatsächlich auf die Site gelockt werden, kaum jemals wieder eingespielt.

Schon so manches Gründerteam hat sich "mit der TV-Werbung verkalkuliert, weiß Econa-Geschäftsführer [Ralf] Lanzrath. Ein Sporthändler im Internet beispielsweise könne pro gewonnenem Kunden vielleicht mit einem Umsatz von 280 DM rechnen. Da würde sich ein üblicher Werbepreis von bis zu 30 DM für 1000 Fernsehzuschauer kaum lohnen. Von 1000 Zuschauern, die mindestens fünf Mal einen Spott gesehen haben, besuchen nämlich erfahrungsgemäß nur weniger als 0,5 Prozent die beworbene Internet-Seite. Davon wiederum dürfte sich vielleicht jeder Zehnte zum Kauf entschließen. Um einen Neukunden allein durch das Fernsehen zu gewinnen, seien so schon Ausgaben von mehr als 300 DM nötig" (Die Welt, 9.9.2000).

Wenig Verständnis für die Marketingaufwendungen der Konkurrenz zeigt daher Thomas Schulte-Huermann, Chef vom Power-Shopping-Betreiber Primus-Online:

Bis zu 80 % ihres Kapitals haben viele Startups in groß angelegten Werbe-Kampagnen verbrannt. Diese schnell verpufften Gelder sind dafür verantwortlich, dass die meisten dieser jungen Unternehmen wesentlich höhere Verluste als Umsätze machen. Damit haben sich die Unternehmen die Aussicht verbaut, innerhalb der nächsten zwei Jahre schwarze Zahlen zu schreiben. … Solche Marketingausgaben waren und sind hochgradig ineffektiv, weil sie viel zu große Streuverluste haben. Bis zu 85 % der in TV und Print angesprochenen Kunden haben schließlich gar keinen Zugang zum Internet. … Im realen Handel werden gerade 2 bis 3 % des Umsatzes für Werbung ausgegeben. Wenn die Online-Händler nicht in absehbarer Zeit zu ähnlichen Ergebnissen kommen, dann sind sie heute schon tot.

Handelsblatt Netzwert 22.1.2000

Einzelne Studien verhärten die Kritik gegenüber den Versuchen von Startups, "Markenbildung fernab jeglicher wirtschaftlicher Vernunft" zu betreiben (Horizont 14.12.2000, 81): "Wie die Gemeinschaftsstudie 'New Economy Advertising' des Kölner rheingold Institutes für qualitative Markt- und Medienanalysen in Zusammenarbeit mit der Hamburger Kreativagentur KNSK ergab, verpulvern die dot.com-Firmen so bis zu 54 Prozent ihres Marketingbudgets für nichts und wieder nichts. Die Gestaltung der Werbemedien wie Print-Anzeigen und Fernsehspots sei zwar schrill, Aufmerksamkeit werde erregt, aber auf ein Return of Investment, also ein Umsatzplus aus den Werbeinvestitionen, dürfen die meisten nicht hoffen" (Berliner Morgenpost 20.12.2000).

Viele Internet-Firmen haben daher ihre großen Marketingausgaben aus der Startphase in den vergangenen Monaten nach unten gefahren. Doch auch das ist eine Gratwanderung, denn "der Erfolg der Internet-Firmen steht und fällt mit der Kommunikation", berichtet Sascha Jansen von der Düsseldorfer Agentur More Interactive (w&v 50/2000, 148). Die wegen ihrer raschen Expansion ins europäische Ausland ins Schlingern gekommene Webdrogerie Vitago.de hat beispielsweise ihr ursprünglich angepeiltes zweistelliges Millionen-Werbebudget schon im Sommer 2000 deutlich gekürzt. Auch die Firma Webmiles, die 1999 noch mit dem "Tu-nix-umsonst-Wanderprediger" im TV um Kunden warb, hat ihre Marketingkosten zusammengestrichen. "Wir haben gelernt, wie wichtig vernünftiges Marken-Controlling ist", sagt Marketingvorstand Patrick Boos. Statt Funk-und Fernsehwerbung setzt Webmiles daher wie viele andere Startups heute auf PR-Aktionen und Kooperationen (w&v 50/2000, 150).

Gerade im Bereich Public Relations hatten deutsche Startups bisher Defizite, will eine Studie des Global Financial Communications Network herausgefunden haben, die weltweit durchgeführt wurde. Dotcoms hier zu Lande stecken demnach nur 24 Prozent ihres Marketingetats in die PR, während ausländische Internet-Firmen dafür 54 Prozent springen lassen. Doch die bisherige PR für Startups war ähnlich wie die Werbung oft viel zu laut und aufgedunsen, was der Branche wenig Freunde eingebracht hat.

Stein des Anstoßes: Moneyshelf.de und die Sexpraktiken der Tiere

Die Diskussion um die Werbung von Internet-Firmen hat im vergangenen Jahr vor allem die Kampagne von Moneyshelf.de angeheizt: Die Deutsche-Bank-Tochter, die die Führung mehrerer Onlinekonten auf einer Plattform ermöglicht, warb mit Fotos aus der bunten Tierwelt, die Löwen, Störche oder Giraffen beim Geschlechtsakt zeigte. Ein klarer Tabubruch, meint das Fachblatt w&v im Sommer (37/2000, 84f): Die Verwendung von Bildern mit 'kopulierenden Tieren' sei im öffentlichen Leben bisher nicht opportun gewesen. Doch Tabus erregen "wenn sie denn öffentlich transportiert und kommuniziert werden, große Aufmerksamkeit -- zumindest beim Normalbürger. Die Polarisierung habe die den Etat betreuende Frankfurter Werbeagentur Starship Advertising daher bewusst in Kauf genommen. Der PR-Effekt schien die Motive zu rechtfertigen: "Die Ankündigung übernahm in diesem Fall die Bild-Zeitung. Über vier Millionen Kontakte gab es mit der Boulevard-Platzierung gratis zum kostspieligen Mediabudget hinzu" (ebd.).

Doch am Ende des Jahres sieht die Bilanz für Moneyshelf der bereits zitierten Rheingold-Studie zufolge nicht so gut aus: Mit der Kampagne habe "Moneyshelf zwar Aufmerksamkeit erzielt, so die Marktforscher, die Surfer aber nicht zur Geldanlage via Internet motivieren können. Grund: keine direkt erkennbare Alltagsrelevanz für die Betrachter" (w&v ebd.).

Die neu erwachte "Ethikdebatte" rund um die Dotcom-Werbung -- selbst der Werberat fühlte sich im Sommer 2000 berufen, Kampagnen wie die von Moneyshelf zu rügen -- hält Peer Hartog, Geschäftsführer Kreation der Hamburger Agentur Klaar Kiming, allerdings für überzogen:

Wird z.B. im Werbefernsehen verkündet, zwei Waffeln mit Zuckerschaum dazwischen seien ein veritabler Ersatz für Schülers Pausenbrot, ist das in Ordnung. Werden aber in einer Anzeige ein paar entblößte Hinterteile abgebildet, fegt ein Sturm der Entrüstung durch den deutschen Blätterwald. Da drängt sich allmählich der Verdacht auf, dass unser Moralempfinden nicht ganz richtig tickt.

w&v 37/2000, 26

Wie macht man's richtig? Tipps von Wendy Moro, einer der Gründerin der Agentur Focal Point Communications in San Francisco (aus Business 2.0 (US-Ausgabe), 3/2000,

Consistency -- One message, one voice

Make sure all officers, executives, and employees communicate information about the company in a unified way.

Simplicity -- Keep it clear

Be sure your message is easy to understand. Keep it simple and memorable.

Personality -- Make it relevant

Always keep your message relevant to the audience that's hearing it. If your audience believes that what you are saying will have an impact on their lives or their business, they will pay attention.

Educate -- Take the high road

Be the industry resource and actively promote your accessibility as a resource to the media. Your visibility as an industry expert will foster respect for your company and brand, and garner lots of free publicity.

Stand out -- Be pervasive

Strive for widespread delivery of your messages in order to achieve widespread attention. Seek out new venues where others are not -- television and billboard advertising are important, but shouldn't be the only place you put your name. I've seen airplanes trailing Compaq banners behind them, company names written on the beach, barges out in the bay, billboards on the back of trucks.

 
Links

Werbung für Dot-coms. Page aus dem Seminar Interkulturelle Werbung (SoSe 2000)

Der Mail-Mann. Beispiel für Startup-PR: die Agentur Andreas Dripke

Archiv für US-Spots: Adcritics.com (try: outpost, monster, etc.)

Inga Michler: Ein Kunde im Internet wird immer teurer. Die Welt 9.9.2000

Bloomberg News: Amazon to search for one global ad agency. News.com 8.12.2000

Deborah Lohse: PR firms fear fallout of dot-com cutbacks. San Jose Mercury News Dec. 13, 2000

Stefanie Olsen: Most dot-coms sitting out the big game. News.com December 14, 2000

Claas Walter: Wie Dotcoms ihr Werbegeld verpulvern. Berliner Morgenpost 20.12.2000

Jeffrey Terraciano: Dot-Coms Punt in Super Bowl. Wired News 8.1.2000

Nicola Liebert: New Economy kapituliert vor hohen Werbepreisen. FTD vom 12.1.2001

Thomas Schulte-Huermann: Teurer Unsinn. Die Marketingausgaben der Startups sind zum Fenster hinausgeworfenes Geld. Handelsblatt 22.1.2001

»Wo haben Sie denn das gelesen?« Was die Anzeigen der New Economy sagen wollen, wissen oft nicht einmal die Unternehmen selbst. Die Zeit 5/2001

plan

literatur

links

zitate