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Der Begriff der "New Economy" hat in Zusammenhang mit dem Börsenfieber der vergangenen Jahre rund um das Internet und andere High-Tech-Sektoren wie die Bio- und Gentechnologie eine steile Karriere gemacht, wie wir schon beim Versuch einer Beschreibung "der" Startup-Kultur festgestellt haben. Zunächst geht mit der Verwendung dieses Begriffs eine Abgrenzung einher zu einem bisher üblichen Wirtschaften, zu der "Old Economy". Wurde diese Trennlinie in den vergangenen drei, vier Jahren gerade von Startups und Dotcoms besonders hervorgehoben, so verwischt die Grenze momentan immer mehr, seit zum einen die Internet-Sprösslinge schwächeln und zum anderen die "alten" Unternehmen und Konzerne selbst das Internet immer weiter in ihre Geschäftsstrukturen integrieren. Doch werfen wir zunächst einen Blick zurück auf die These von der New Economy aus den 1990ern. In der Mitte des vergangenen Jahrzehnts setzte sich bei zahlreichen US-Literaten und später auch bei Wirtschaftswissenschaftlern sowie sogar beim obersten Hüter über den Dollar, Alan Greenspan, die Erkenntnis durch, dass das Internet und die aus ihm erwachsenen Startups für eine bisher nicht gekannte Innovationswelle sorgen. Die technischen Fortschritte in Informations- und Telekommunikationstechnologie, so die Theorie, lösen eine Dynamik im Wirtschaftsleben aus, die sich eigentlich nur mit der industriellen Revolution oder gar mit der Nutzbarmachung des Feuers vergleichen lässt. Das Phänomen dieser Umwälzungen wurde mit dem Titel "New Economy" bedacht. The idea was that America was undergoing an economic transformation. Technological innovation, combined with the globalization of business and a financial system that provided venture capital, were energizing the economy by boosting productivity. In this New Economy we argued, fast growth would no longer lead to inflation, as it did so often in the old. The reason: Productivity growth from investment in technology would cut costs. The business cycle wasnt dead, we said, but it had dramatically changed. Growth over the last five years has averaged well above 4 % annually, and productivity is increasing at double the rate of a decade ago. Meanwhile, inflation has been tepid, even though the economy is in its 10th year of expansion, the longest in history. Business Week Oct. 9, 2000, 37 Der schillernde Begriff wird seit seiner "Entdeckung" sehr unscharf gebraucht. So werden viele neue Firmen in den Bereichen der neuen Technologien und der Medien als Repräsentanten der Neuen Wirtschaft bezeichnet, womit New Economy zum Gattungsbegriff wird. In der Theorie mancher Ökonomen wird der Begriff dagegen zur Beschreibung der Tatsache verwendet, dass gewisse makroökonmische Regeln über den Haufen geworfen werden, die Produktivität immer weiter steigt und es keine Rezession mehr gibt (vgl. Einleitung zum NZZ-Dossier zur New Economy). An der Börse bezeichnet man mit «New Economy» letztlich alle Unternehmen, die Spitzentechnologie herstellen oder - wie E-Commerce - auf diesen basieren. Die Spannbreite reicht von Informatik und Kommunikation bis zu Biotechnologie oder Medizinaltechnik. In diesem(mikroökonomischen) Sinn ist der Begriff zwar brauchbar, deckt sich aber weitgehend mit älteren, weniger plakativen Begriffen wie «High-Tech». In einem tiefergreifenden, makroökonomischen Sinn meint das Zauberwort «New Economy» jedoch etwas ganz anderes. Es steht für die aussergewöhnliche Entwicklung der US-amerikanischen Wirtschaft in den letzten neun Jahren, in denen sich ein relativ hohes Wachstum mit weitgehender Preisstabilität verband. Das hat bei vielen Beobachtern den Glauben genährt, es gebe so etwas wie ein neues ökonomisches Paradigma. Danach gäbe es praktisch keine Inflation und keine Konjunkturschwankungen mehr, dafür ein Wachstum ohne Ende auf hohem Niveau. Im Zentrum dieser «schönen neuen Welt» steht die Idee, es lasse sich in Zukunft nachhaltig ein besonders hohes Produktivitätswachstum realisieren. Dieses wird mit einem technologischen Fortschritt ohnegleichen begründet. Gerhard Schwarz: Auf der Suche nach der «neuen Wirtschaft». Neue Zürcher Zeitung, 18. März 2000 Autoren, die sich stärker mit dem Thema befasst haben, wie etwa Kevin Kelly, berufen sich vor allem auf die Theorie der "network externalities", um das Neue der New Economy aus dem Geiste des Internets zu fassen. Diese Theorie einer auf der "Netzwerkmentalität" beruhenden Wirtschaft ist übrigens auch die Grundthese von Jeremy Rifkins viel beachtetem neuen Buch "Access". Netzwerkeffekte, auch Netzwerk-Externalitäten genannt, beschreiben
die Auswirkungen der Teilnahme von einer Person an einem Netzwerk
auf die anderen Teilnehmer. Netzwerke können dabei auf physischen
Verbindungen basieren wie beispielsweise das Internet selbst oder
aber auch aufimaginären oder psychischen wie etwa die Verbindungen
von Mitgliedern einer Vereinigung.Der Wert solcher Netzwerke steigt
mit jedem zusätzlichen Nutzer ( direkte Netzwerkeffekte) -- und
zwar für jeden bereits bestehenden Nutzer. |
"New Economy" in der Krise Doch trotz der theoretischen Unterfütterung durch Gesetze wie die der "Netzwerk-Externalitäten" oder der "Increasing Returns" wird das in den USA die letzten fünf Jahre propagierte Modell der New Economy in letzter Zeit wieder stärker angezweifelt. Interessanterweise hat gerade ein Autor des Wirtschaftsmagazins Business Week, das jahrelang einer der größten Propagandisten einer New Economy war, Anfang Oktober nun sogar ein Buch herausgebracht, das von der kommenden "Internet-Depression" warnt. Seine These ist, dass die New Economy nicht nur durch neue Technologien vorangetrieben wird, sondern vor allem durch Venture Capital, und daher sehr stark vom Auf und Ab der Börsen für Jungunternehmen abhängt. Zeigen dort die Indizes nach unten, wird der Geldfluss dünner, da es weniger Möglichkeiten gibt, das investierte Geld mit möglichst hohen Gewinnen möglichst rasch zurückzuerhalten. Diese Entwicklung wiederum führt zu verminderter Innovation in der Wirtschaft, was die Produktivität sinken lässt. Dadurch wird der Druck auf die Währungshüter größer, die Zinsen zu erhöhen, und es entwickelt sich eine Spirale nach unten, ein Teufelskreis abwärts. The New Economy is more than a technological revolution, its a financial revolution as well -- and that makes todays economy far more volatile than most realize. If technology is the engine for the New Economy, then finance is the fuel. Without access to capital, the Internet Age would have arrived, but much more slowly. If the Old Economy was an automobile, the New Economy is an airplane. In an auto, if anything unexpected happens, the natural and correct response is o put on the brakes. But just as an airplane needs a certain airspeed in order to stay aloft, so the New Economy needs fast growth for high-risk investment in innovation to be worthwile Michael J. Mandel in Business Week, Oct. 9, 2000, 45ff In einem umfangreichen Begleitbericht (The next downturn) bzw. einem Editorial führt Business Week (S. 80) das Argument weiter aus: Mandels argument turns in part on what he calls one of the great
financial breakthroughs of the 20th century: the venture-capital
fund. Venture capitalists gave about $60 billion to startups and
young companies last year, and in the first half of this year,
their funding was running at about a $100 billion annual rate.
Along with that came the use of initial public offerings, which
allow venture capitalists to cash out and recycle their returns
into new enterprises. These developments gave cutting-edge technologies
the financial muscle to challenge even the largest and most entrenched
Old Economy companies. Auch wenn dieses Szenario von Business Week bzw. Mandel als "worst case scenario" geschildert wird, und die Zeitschrift sich nicht voll und ganz damit identifiziert -- "The technological revolution is still in its infancy, and several huge advances are just starting to take shape. Interactive television, Net-based medical care, or "e-health." Global wireless Internet services. These are giant industry shifts, which take time to mature, and require progress in core technologies", schreibt Christopher Farrell in seinem "Case for Optimism" auf S. 53 -- so ist die Suche nach Alternativen zur Bezeichnung New Economy trotzdem überall in Mode gekommen. Die Palette substituierender bzw. komplementärer Begriffe wird dabei immer bunter. Peter Coy beschreibt in Business Week (Aug. 28, 2000, 41) beispielsweise die "Creative Economy", in der "information and ideas" key sind. Was das wirklich Neue gegenüber den alten Begriffen von der Informationsökonomie sein sollen, bleibt aber unklar. Die Wirtschaftswoche berichtet dagegen von dem beschwerlichen "Weg von der mit viel heißer Luft aufgeblasenen New Economy in die wahrhaftige Technologie-Wirtschaft von dauerhaftem Bestand" und übernimmt für diese den Titel "True Economy". Die New Economy wäre damit nur eine Vorstufe zu einer wie auch immer gearteten Ökonomie, in der die Vorteile der neuen Technologien endlich wirklich zum Tragen kommen und nicht nur zu Börsenluftblasen führen. In diesem Zusammenhang wird viel über die "Rückkehr" oder sogar die "Rache" der Old Economy, der "Multis" (Business 2.0, Sept. 2000 (dt. Ausgabe)), geredet, die nun "zurückschlägt" und sich die von den Dotcoms vorangetriebenen Innovationen zunutze macht. Den Konzernen geht es dabei vor allem um die stringente Ausrichtung ihrer Geschäftsmodelle auf das Internet sowie um die Erschließung neuer Vertriebswege und all das, was eigentlich schon seit den 80ern als "Re-engineering" bekannt wurde. Die Ziele der Konzerne sind eindeutig: Die Ideen, wie sie über die vergangenen fünf Jahren von eifrigen Gründern und cleveren Entwicklern erdacht worden sind, scheinen den Vorständen der etablierten Unternehmen nun erprobt genug, um sie als Basis ihrer Attacke in die Neue Wirtschaft zu verwenden. Thomas Huber und Jörg Linssen: Auftritt: Old Economy. Net-Investor 10/2000, 66 Immer mehr Beobachter gehen davon aus, dass in der Anwendung der "New-Economy-Modelle" in der alten Wirtschaft die "Internet-Revolution" in der Geschäftswelt erst richtig los geht. Wie Business Week am Beispiel Ford bzw. der Automobilindustrie darlegt: Forget about Amazon.com Inc. and eBay Inc. Ford, along with a host of much maligned metal-benders and other old-timers, is transforming e-commerce from a blip on the economic radar into the engine of industry. And although it may not offer a dot.com market cap or a hipper-than-thou ad campaign, Ford has something else: real e-productivity potential, in the form of an $83 billion-a-year purchasing budget and 30,000 suppliers. Jennifer Reingold und Marcia Stepanek: Why the Productivity Revolution Will Spread. The Nets Revamping of Old-line Industry May Save Trillions. Business Week, Febr. 14, 2000, 48 New und Old Economy wachsen also immer stärker zusammen, der Begriff der "One Economy" macht nun die Runde: Die etablierten Unternehmen schlagen zurück.
Der Antagonismus
von "Old -- New" wird sich auflösen. Übrig bleibt zugunsten einer
integrierten Wirtschaftsordnung die "One Economy". Eine Trennung
ist schon heute nicht mehr sinnvoll. Thomas Heilmann: One Economy -- oder die Internet-Revolution frißt ihre Kinder. FAZ 14.8.2000 Die Internet-Revolution frisst also ihre Kinder. Die stolzen Startups, die lange gerade wegen ihrer konsequenten Absetzung von der Old Economy ihre Börsenkurse nach oben jagen sahen, müssen sich nun mit der ganz normalen Wirtschaftswelt arrangieren bzw. werden sogar von den ungeliebten Großkonzernen scharenweise übernommen, seit ihre Marktbewertungen in den Keller gesunken sind. Doch keine Bange, ganz so tragisch ist das Ende nicht: Denn während die "Kinder früherer Revolutionen in der Verbannung, im Gefängnis oder unter der Guillotine" landeten, wie Thomas Heilmann (ebd.) zurückblickt, sind sie heute "mit dem nächsten Business-Plan auf der Suche nach frischem Risikokapital. Im Internet-Zeitalter sind selbst Revolutionen nicht mehr das, was sie einmal waren." Obwohl der Begriff der New Economy seit den Kursstürzen der Technologie-Unternehmen und Startups in den vergangenen Monaten insgesamt stark gelitten hat, wird er allerdings nach wie vor häufig als Sammelbezeichnung für eine neu durchstartende Wirtschaft gebraucht und ist keineswegs totzukriegen (s.a. Gabriele Fischers Definition der New Economy). |
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