Ohne Moos nix los: Von Venture Capital (VC), Inkubatoren und Businessplänen (Von Stefan Krempl)

Die Idee wurde -- wie so oft im Technologiesektor -- im Silicon Valley groß gezogen: Investoren sehen bei einem Gründer(team), das selbst noch über keine großen finanziellen Ressourcen verfügt, eine gute Idee mit hohem Marktpotenzial sowie einen Mix aus technischen sowie fürs Marketing erforderlichen Kompetenzen und stellen ihnen Kapital zur Verfügung. Dafür werden sie mit Anteilen an dem Startup beteiligt.

Die Investoren interessiert dabei vor allem die Wertsteigerung der jungen Firma. Während Banken in der Regel diverse Sicherheiten verlangen, bevor sie einen Kredit vergeben, sehen Wagniskapitalgeber ihre Investition als Einsatz auf die Zukunft. Umsatzzahlen oder Gewinne interessieren sie daher anfangs nicht -- nur Prognosen und Businesspläne, in denen der Weg zum -- erhofften -- Erfolg beschrieben wird. Zugleich betreuen gute Venture-Kapitalisten "ihr" Team auch, stehen in strategischen oder technologischen Fragen, Marketing-, Vertriebs- oder Personalangelegenheiten unterstützend zur Seite. Die im Zweifelsfall noch relativ unerfahrenen Gründer sind schließlich auf der Suche nach "Smart Money", also nach Geld, das mit Hilfe bei der Unternehmensführung gekoppelt ist.

Erst Wagniskapital machte aus den neuen Technologien Industrien mit neuen Geschäftszweigen und -modellen. Neue Kapitalgeber bündelten Know-how und finanzierten systematisch und im großen Stil die New Economy. Die Venture Capitalisten (VC) sind für die Neue Wirtschaft, was das Betriebssystem für den Computer ist -- ohne sie würde nichts laufen.

Christiane Sommer (2000): Die zweite Komponente. In: Wolf Lotter/Christiane Sommer (2000) (Hg.): Neue Wirtschaft. Das Kursbuch für die New Economy. Stuttgart/München (dva).

Große VC-Gesellschaften wie die mit 3i verschmolzene Technologieholding, die TFG oder Earlybird in Deutschland steigen in der Regel allerdings erst in ein Startup ein, wenn das Führungsteam komplett, der Businessplan ausgereift und eventuell sogar schon der Markteintritt geschafft ist oder die Firma kurz davor steht. Anschubkapital ("Seed Capital") erhalten Gründer oft einfacher von "Business Angels". Das sind wohlhabende Privatiers, die am günstigsten aus derselben Branche kommen, etwas vom Fach verstehen, Know-how geben können und einen Teil ihres Vermögens in ein Startup investieren. Wie groß das Heer der Engel in Deutschland ist, weiß keiner so genau, da es keine amtliche Registrierungspflicht für sie gibt. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung gehen allerdings von rund 27 000 aktiven und über 200 000 potenziellen Business Angels hier zu Lande aus (vgl. VDI nachrichten 10.11.2000, S. 29).

In Deutschland gibt es Hunderte von Business Angels, die noch keiner angesprochen hat. Dabei hat die Kaltakquise eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit als vermutet.

Einfach mal anrufen, empfiehlt Andreas Lukic, Vorstand der KidZ Vision AG (ebd.)

Engel und VCs sind aber natürlich keine Spender, die aus lauter Menschenfreundlichkeit ihr Geld unters Gründervolk bringen. Sie setzen darauf, ihre Anteile mit der größtmöglichen Rendige baldmöglichst zu verkaufen. Der Ausstieg (Exit) erfolgt, wenn alles gut läuft, durch einen "hoch fliegenden" Börsengang oder durch einen Verkauf an ein anderes Unternehmen ("Trade Sale").

Während in den USA an der Ost- sowie vor allem an der Westküste spätestens seit Mitte der 1990er in rauhen Mengen zu fließen begann und Milliarden in Startups investiert wurden, setzte sich die Idee in Deutschland zusammen mit dem verspäteten Internetboom erst recht langsam durch. So tröpfelten 1996 erst knapp 200 Millionen Mark auf die Geschäftskonten von jungen Technologiefirmen (vgl Fraunhofer Magazin 2/2000, 5). Die Gründer des E-Business-Dienstleisters Intershop, der sich während der zweiten Hälfte der Neunziger einen Ruf als Vorzeigefirma der New Economy erwarb, mussten beispielsweise im Oktober 1995 noch eine Anzeige in der FAZ schalten: "Kapitalbeteiligung gesucht", bevor die Technologieholding Leipzig Geld rausrückte (vgl. Global Online 1+2/1998, 48).

Seit die Deutsche Börse im März 1997 den Neuen Markt als Segment für schnell wachsende Firmen aus den Bereichen Internet, Telekommunikation, Biotechnologie und Informationstechnologie allgemein ins Leben rief, boomt die Venture-Capital-Industrie allerdings auch hier zu Lande. Wie für amerikanische Geldgeber mit der Nasdaq, steht seitdem auch für deutsche Investoren ein "Exit-Markt" zur Verfügung, der in den letzten Jahren über 150 Startups mehr oder weniger reicht machte. Im Jahr 2000 wurden so vermutlich mehr als zwei Milliarden Mark in Deutschland in Startups investiert (vgl. Fraunhofer Magazin, a.a.O.).

Der Boom an den Wachstumsbörsen während der letzten Jahre führte auch dazu, dass mancher Geldgeber sich von der Euphorie anstecken ließ und in Teams und Unternehmen investierte, die kein mittelfristig erfolgreiches Business-Modell vorzeigen konnten. Inkubatoren kamen in Mode, die Startups regelrecht ausbrüteten und hochpäppelten, um ja möglichst schnell den Börsengang zu schaffen und abzusahnen.

Eine Idee, wie sie eigentlich nur aus der Zeit des Börsenhypes rund um die Netz-Ökonomie stammen kann: Man packe ein paar mit nicht viel mehr als einer -- eventuell noch geklauten -- Geschäftsmasche rund ums E-Business ausgerüstete Gründer in einen "Brutkasten" und päppele sie dort mit seelischer und moralischer Unterstützung, einem Internet- und Telefonanschluss sowie ein paar Geheimtipps aus dem Management-Alltag zur "Millionärsreife" hoch. Dafür streicht man dicke Gewinne ein, weil man sich die Pflege mit Anteilen zwischen drei und 90 Prozent an dem so entstehenden "Unternehmen" bezahlen lässt.

So schön konnte Geld verdienen in der New Economy sein -- bis die Einbrüche an den Technologiebörsen im Frühjahr dem Treiben einen Dämpfer versetzten.

Stefan Krempl: Aus-Gebrütet?

Insgesamt hat die VCs mit einem guten halben Jahr Verspätung die Startup-Krise erwischt. Denn seitdem Nasdaq und Neuer Markt deutliche Dämpfer bekommen haben, ist der bevorzugte Exit-Weg zur Refinanzierung der Investitionen momentan versperrt. Auch bei Verkäufen von Startups an Konzerne werden bei weitem nicht mehr die Summen gezahlt wie früher. Dadurch wird es für die großen Wagniskapitalfirmen auch schwieriger, Fonds aufzulegen, die ja auch wieder von (meist institutionellen) Investoren kommen müssen. "Es wird einen Shakeout unter den VCs geben", prophezeite Gert Köhler, Gründer der Technologieholding bereits im Mai (vgl. WebWelt vom 10.5.2000). Inzwischen spricht die FTD von der "Panik an der Geldmaschine" und zitiert den Münchner Business Angel Vijay Sondhi, der mit einem "Blutbad unter den Risikokapitalisten" rechnet. Doch angesichts der Wankelmütigkeit von Investoren könnte auch diese Phase schnell wieder dem nächsten Boom weichen.

Meine Quintessenz aus der ganzen Entwicklung ist, dass sich dieses Segment des Wachstumsmarktes in der Börsenlandschaft und der gesamten Volkswirtschaft fest etabliert hat. Nach der Euphorie und der derzeitigen Doomsday-Stimmung wird jetzt ein realistisches Plateau erreicht werden.

Bernd Theimann, Chef der DG-Bank, in Die Woche 5.1.2001, 16

Die ganze Entwicklung hat auch etwas Gutes, glaubt auch Max Burger Calderon, von der VC-Gesellschaft Apax. Am Ende der Pleitenwelle "werden alle schlauer sein. Die Gründer werden besser vorbereitet sein, und auch die VCs werden gelernt haben -- das sind schließlich alles keine Dummköpfe" (zitiert nach Sommer, a.a.O. 120).

 
Links

Thesenpapier von Radek Wojciechowski

Aus-Gebrütet? Inkubatoren in der Krise

Das Klima hat sich geändert. Interview mit Ingo Krocke, Partner beim VC Wellington in München

Band: Business Angels Netzwerk Deutschland

Linksammlung zu Business Angels vom Net-Investor

BVK: Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften

area5F -- "neutraler" Vermittler von VC, Rechts-Tipps, Gründerhilfe

Wie erstelle ich einen Businessplan? Praxisorientierte Anleitung der Deutsche Venture Capital Gesellschaft mbH in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Udo Wupperfeld Steinbeis Transferzentrum Marketing, Logistik und Unternehmensplanung an der Fachhochschule Pforzheim

Bplans.com -- alles rund um Businesspläne

Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg

Top European Incubators. Compiled by Jens Meyer

Alexander Jung: Boygroups im Brutkasten. Der Spiegel 7/2000

Kristina Spiller: Neue Gründerwelle kurbelt Geschäft der Kapitalgeber an. FTD vom 24.5.2000

FTD: Risikokapital - Das Internet beschleunigt die Vergabe. 5.10.2000

Lynnley Browning: Venture Capitalists, Venturing Beyond Capital. Die NYT (15.10.2000) entdeckt die Inkubatoren mit etwas Verspätung.

Christian Buck: Die Fruchtblase der New Economy. Porträt der Gründer-WG Startup-Campus. WebWelt 25.10.2000

Benoit Leleux: Halbgare Börsengänge aus Start-Up-Brutkästen. FTD vom 27.11.2000

Julie Fields: Now, Incubators Are Huddling with Multinationals. Business Week Online 13.10.2000

Gründer-Geld ist gefragter denn je. Trotz Internet-Schwäche: Deutsche Venture-Capital-Szene wächst und wächst. Berliner Morgenpost 26.10.2000

Peter Sinton: Venture Capital Engine Running Out of Steam. San Francisco Chronicle November 21, 2000

Caroline Daniel: Cast out in the cold. Internet incubators are looking rather sickly. Connectis November 2000

Tom Brankamp/Michael Tobais: Wir können auch anders. Internet-Firmen brauchen Venture Capital. Oder? Handelsblatt 11.12.2000

Christian Baulig, Tillmann Prüfer und Matthias Dezes: Panik an der Geldmaschine. FTD 5.1.2001

Christian Dose: "Der Irrsinn bei Neuemissionen ist endgültig vorbei". Interview mit Wagniskapital-Geber Frank Böhnke. WamS 21.1.2001

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